Shake your Style.

29.05.2010

mon vélo course

Meiner viertägigen Toulouseabstinenz ging ein etwa dreiwöchiges Partycelibat voraus. Das Celibat hielt ich in dem Maße ein wie es sich für meine Religion gebührt, also nicht so strikt. Trotzdem kam ich mir gestern Abend in dem ganzen Getümmel etwas verloren vor und dachte mir so, dass ich mich hier erstmal wieder einleben muss. Die Pisse war es nicht die mich in den Alltag zurück holte, die Pisse mit der hier die Franzosen selbstbewusst jede Ecke markiern, deren ausgetrocknete Pfützen den Bürgersteig in ein quirliges Camouflage tauchen, die der Indikator für den Gewöhnungsgrad an Toulouse sind denn deren Geruch vernahm ich noch. Nein, ein anderes Ereignis verhalf mir zur mentalen Rückkehr in die Straßen von Toulouse, es geht dabei um mein Fahrrad. So wurde ich aufgeweckt durch das Geräusch das unsere Gittertür zum Hof beim öffnen verursacht. Als wäre mein Hirn nicht gerade erst von einer fünfstündigen Funktionsunterbrechung, die am eben besagten Vorabend durch reichlich Alkoholgenuss und Joints eingeleitet wurde, zurück gekehrt, oder gerade deswegen, eröffnete sich mir schnell, dass sich des Aufstehens Notwendigkeit sehr gut aus der dem Aufstehen gleich folgenden Handlung ergeben könnte. Ich verlies also mein Bett, blickte in den Hof und tatsächlich, mein Fahrrad war im begriff geklaut zu werden denn es war schon nicht mehr da. Jedoch bestand noch die Chance es zurückerobern zu können. Ich hatte mir früher schon so einige male ausgemalt was ich machen würde, würde ich einen Dieb frischer Tat beim klauen meines Rads ertappend zu gegenüberlisten versuchen. Ihn auf meinem Rad fahrend einfach so stark zu stoßen dass er sich hinlegt erschien mir am plausibelsten. So kam ich dann genau zur richtigen Zeit in seine Reichweite. Nach nem kleinen Sprint gelangte ich an die Stufe der grauen Tür die aus unserem Hausflur führt, an der sich die Straße anschließt. In Hasst sattelte der Dieb auf, etwa 20 Jahre, viel zu klein für ein so großen Rennradrahmen wie ich ihn hab, er kam mit dem Rad nicht klar, ich griff ins Geschähen ein.
Auf der Skizze markiert der Stern die Stelle auf der der Dieb in etwa mit seinem Kopf auf das geparkte Auto aufschlug. Meinem Stoß folgend zog er die Vorderbremse, überschlug sich. Da er in den wenigen Sekunden die ihm auf meinem Fahrrad blieben noch nicht die Zeit hatte gen Flucht der Straße zu lenken gab es keinen Körper der die Wucht des Aufpralls des Kopfes von Oben auf die Motorhaube abpuffern konnte. Benommen lag er auf der Straße, ich entwirrte mein Fahrrad seinen Gliedmaßen, benommen Stand er auf, das Gesicht vom Aufprall gezeichnet. An der Seite hatte er eine schöne Schmarre vom Auge bis fast an den Wangenknochen hinunter, so drei Zentimeter breit, die noch nicht zu bluten angefangen hatte doch in den nächsten Tagen sicher einen süffigen Grindteppich ausbilden wird. Krasser war das Loch, dass sich in der Partie zwischen Unterlippe und Kinn gebildet hatte. Seine Zähne müssen wohl in direkten Kontakt mit der Karosserie des Wagens gekommen sein, nahmen dabei aber nicht den üblichen Weg aus dem Mund sondern bohrten sich einen neuen durch die Haut. Wie ein Piercing an der Stelle, nur ein Zentimeter breit. Ein erster Tropfen Blutes ergoss sich bereits aus der Wunde, viele weitere haben noch gefolgt haben. An die anderen Wunden kann ich mich nicht mehr klar erinnern, viel zu erschlagend war die Situation am frühen Samstag Morgen (gen 8 Uhr), ich im Schlafanzug barfuß auf der Straße, ein Auto wollte passiern. Er sagte mich noch anblickend laut was er dachte "ich habe aua", ich sagte "ist dein Ding", wir trennten uns und nach alldem ist es mir als wäre ich nie weg gewesen.

16.05.2010

ghostleg - Bananaland



mir fehlen die worte
doch, die Musik ist "La Vida Vale la Pena" (Uproot Andy remix) mit Petrona-Martinez-Samples

09.05.2010

Internet, Reflexion und der Mann mit Bart

Ich habe euch vor anderthalb Jahren bereits Peter Kruse vorgestellt. Ein schlauer Kopf mit vielen interesanten Gedanken ist dieser Mann zweifelsohne. Er macht sich auch Gedanken über das Internet und die gesellschaftlichen Veränderungen dieser neuen Kraft. Clems Post "Soziale Netze: Hohe Gefahr trifft niedriges Niveau" hat einen lebhafte aber auch wenig fruchtbare Diskussion angestoßen die ich nun um einen fundierten Aspekt erweitern will, die kulturelle Wertewelten (in Video etwa ab min7:30).

Ich stelle noch einmal seine Hypothesen zusammen, in der Hoffnung dass einige Kommentare folgen:
1. Die Schärfe des Disputes pro und contra Internet ist ein Indikator für die Existenz unzureichend reflektierter Wetredifferenzen
2. Die Veränderungen durch das Internet sind systembedingt und daher außer durch die Abschaltung des Netzwerkes nicht zu stoppen
3. Die social software des Web2.0 ist ein Angriff auf die etablierten Regeln der Macht und erzwingt ein grundlegendes Umdenken
4. Das Internet führt zu einer Erhöhung des Selbst-Bewusstseins der Gesellschaft. Eine Re-Politisierung jenseits der Parteien ist nur konsequent.
5. Die Lawiene donnert bereits zu Tal. Überzeugungsarbeit ist nicht notwendig. Und bist du nicht willig, so brauche ich... Geduld

Die kulturellen Bewertungen, welche im Video erläutert werden, markieren die selbe Konfliktlinie wie sie auch in unserer Diskussion augetreten sind. Clem und georg sind dabei ganz klar als in der Kategorie digital visitors, Ändy und ich sind eher bei den digital residents, natürlich unter dem Vorbehalt dass wohl keiner ein "heavy user" ist.

04.05.2010

Eine philosophische Frage

Es gibt eine StudiVZ-Gruppe mit dem zweideutigem Namen „Der Himmel muss ein bisschen so sein wie Berlin im Frühling“. Der erste Mai ist ein Tag im Frühling und traditionell ein ereignisreicher Tag für Berlin. In Kreuzberg trifft sich die links autonome Szene und wetteifert im Dreikampf Dinge werfen, Barrikaden anzünden und weg rennen mit der örtlichen Polizei in ihrem Dreikampf Leute festnehmen, Barrikaden löschen und Straßen räumen. Diese kollektive Freiluftveranstaltung gewann dieses Jahr die Polizei. Auch die Rechten wollten das Himmlische am Berliner Frühling erleben. Also sind sie mit ihren eigenen Dreikampf dort: antreten, marschieren und Parolen grölen (und nach Hause fahren).

Dabei hat sich nun folgendes abgespielt: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse lies sich auf ein Schauspiel ein dessen öffentliche Wirkung nun für Empörung sorgt. Er beteiligte sich an den Protesten „Berlin gegen Nazis“ durch Sitzblockade auf der Marschroute der rechten Demo. Unter anderem zusammen mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wieland und dem Bezirksbürgermeister von Berlin-Pankow, Matthias Köhne (SPD). So musste er letztendlich von den Beamten weggetragen werden, alles unter den hungrigen Augen der Fernsehkameras.

Was nun tun mit einen politischem Würdenträger der sich einen Akt des zivilen Ungehorsam leistet? Man lässt ihn erstmal zu Wort kommen:
Thierse: „Vielleicht erinnern Sie sich: Es gab einen Aufruf, "Nazis blockieren". Ich betone blockieren. Den haben sehr viele unterschrieben, Parteivorstände, der Parteivorsitzende der SPD in Berlin, Michael Müller, der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Walter Momper, der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, die jüdische Gemeinde, viele andere, ich auch, und dann kann ich doch nicht nur auf andere zeigen, sondern ich war da und in dem Moment, wo ich da war, wollte ich auch zeigen, dass ich diese Demonstration ablehne.“
Ein Argument das auf die persönliche Integrität, die moralisch Integrität, hinausläuft. Seltene Worte aus dem Munde eines Politikers, schauen wir genauer hin.
Thierse: „ ... ich habe gegen Antidemokraten demonstriert, weil ich mich verpflichtet fühlte, ein Zeichen zu setzen. [..] Ich habe als Bundestagsvizepräsident die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Bürger auch.“
Hier haben wir das Motiv. Ein Zeichen gegen Antidemokraten setzen als staatsbürgerliche Pflicht. Ein liberales und ehrbares Motiv das der alte Mann aufzeigt.

Gegen so viel politische Überzeugungen formiert sich immer Widerspruch. Welche Vorwürfe werden da erhoben? Die meisten drehen sich um den Punkt Rechtsbruch durch einen politischen Würdenträger und damit die Schändung seines Amtes. Die schrillste kommt diesesmal nicht von den Liberalen, die halten sich merkwürdig zurück, sie kommt von der SPD-Abgeordneten Anja Hertel: "Ich habe ein Problem mit Demokraten, die meinen, sich über das Gesetz stellen zu können." Der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Müller (CSU) ist geschickter, aber dennoch plump. Er bedient sich eines rhetorischem Tricks der als Killerphrase an den ersten vier Worten zu erkennen ist: „Grundsätzlich gilt der Satz: Ein Parlamentarier kämpft mit Worten im Parlament und nicht auf der Straße gegen die Polizei.“ Bundesfamilienministerin Kristina „hat noch nie etwas schlaues gesagt“ Schröder macht sich Kraft ihres Amtes Sorgen um die Jugend: „Herr Thierse sollte sich ernsthaft fragen, wem er mit seiner Sitzblockade geschadet hat – den Neonazis oder unserer demokratischen Rechtsordnung. [Sie frage sich,] wie Jugendlichen Demokratie erklärt werden solle, wenn sich selbst ein Bundestagsvizepräsident über das Grundgesetz hinwegsetze.“
Den Preis für die erste Rücktirttsforderung geht an den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt. Stellt man das Zeichen einer Sitzblockade gegen rechte Aufmärsche dem Zeichen eines Rücktritts wegen einem Protest gegen Rechtsextremismus gegenüber, frage ich mich ob die Empörung gegen Thierse nicht die philosophische Frage überdeckt der sich jeder politische Würdenträger stellen muss, „Hat ein Bundestagsabgeordneter nicht die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wie andere auch? (Thierse selbst)“ und muss ein Politiker seine Überzeugungen nicht auch öffentlich leben?

Wenn nun ein Berliner Frühling diese Diskussion belebt dann ist dies wahrlich himmlisch, wie es die StudiVZ-Gruppe postuliert.

Quelle Welt Online
Quelle Focus 1
Quelle Focus 2
Quelle DRadio
Quelle Tagesspiegel