Shake your Style.

12.03.2008

Charlotte Roche ist zurück

und gestern durften wir zuhören, wie sie aus ihrem neuen Roman Feuchtgebiete vorgelesen hat. Die sexuell selbsterkundungsfreudige Hauptperson Helen ist das ganze Buch über wegen einer Analfissur im Krankenhaus und monologiert größtenteils über Körperflüssigkeiten und Fick- bzw. Masturbationserfahrungen. Charlotte Roche verkleidet mit ihrem hochpornografischen Romandebüt erstmalig ausführliche Statements ihrer Wut gegen pornofeindlichen Feminismus und weibliche Hygienehysterie, die sich schon oft in ihren Äußerungen andeutete.

Wie sie gestern selbst formulierte, volle Kanne Sexbuch geschrieben. Super funky Lesetipp für junge Leute!

10.03.2008

Ingmar Bergman

hallo allerseits
ich freu mich hier im blog was schreiben zu können :)


ich möchte mit meinem post an einen, für mich sehr bedeutenden regisseur erinnern, von dem ihr sicher schon alle gehört habt. ingmar bergman ist bekanntlich letztes jahr im juli verstorben (wobei ich es schon ein bisschen unheimlich fand, dass er genau am gleichen tag starb wie michelangelo antonioni, der nicht minder beeindruckende filme gemacht hat...man denke nur an "blow up" und "beruf: reporter").
selten können filme so mitreißen, wie die es von bergman tun. Trotz ihrer cineastischen größe bedient sich berman scheinbar spartanischer kulissen. dank dem kameraman sven nykvist sind seine schwarz-weiß filme zu waren kunstfilmen avanciert. ich denke dabei beispielsweise an "persona" (was ursprünglich eine von Schauspielern verwendete Maske bezeichnet) in dem der schwarz-weiß kontrast eher an das medium fotografie als an film erinnert, ähnlich auch bei "das siebte siegel".


ich erzähl euch da sicher nichts neues aber vor kurzem habe ich "herbstsonate" gesehen und dieser film hat mich so ergriffen, dass ich ihn nur ausdrücklich empfehlen kann. die story ist einfach, eine gefeierte konzertpianistin, die sich ihr halbes leben auf tourneen befunden hat, besucht nach sieben jahren trennung ihrer tochter auf dem land. die tochter(eva) gespielt von liv ullman und die mutter von ingmar bergman gespielt. zu beginn des film bekommt man eine regelrechte wut auf eva, die ihrer weltbewanderten mutter treudumm an den lippen hängt und sich wie ein kleines schulmädchen für ihr bescheidenes dasein zu rechtfertigen scheint. aber schon als sie sich beide an den flügel setzten um von chopin die Prelude Nr. 2a zu interpretierne (so ein wunderbar trauriges stück), bekommt ihr blick eine tiefe, der von viel mehr spricht, als nur bedingungsloser liebe zu ihrer mutter.

im laufe der folgenden gespräche wird sie ihrer mutter vieles unverzeihliche aus ihrer kindheit vorwerfen...die handlung spitzt sich zu einem waren psychodrama zu... da bleibt kein auge trocken, denn was liv ullman in diesen szenen an schauspielerischer leistung zeigt, das war noch nie dagewesen... noch nie habe ich jemanden so leiden sehen und dabei so mitgefühlt. dieser film ist ein tritt in den magen, obwohl er so unprätentiös daher kommt aber er spendet auch trost. denn wir (ich kann es jedenfalls nur hoffen) werden dieses leid (das leid jener, denen das geliebt werden versagt wurde), wie es eva verkörpert, niemals so zerstörerisch empfinden.
das ist ein film der mir noch lange im gedächtniss bleiben wird und den ich nur wärmstens empfehlen kann. übrigens liv ullman spielt auch in vielen anderen bergman-filmen mit, wer also feuer gefangen hat, der sollte auf keinen fall "passion" oder "persona" verpassen (schon alleine wegen Bibi Andersson, einer ebenfalls großartigen schauspielerin). mein erster bergman film war "wilde erdbeeren"- der titel ist leider viel zu süßlich für den inhalt. bergman schafft auch hier ein charakterporträt das uns den spiegel vorhält. nur selten fühlt man sich so verstanden. somit lassen uns seine filme nicht alleine, obwohl sie ausführlich von einsamen menschen erzählen.


eva in herbstsonate:
"Der Mensch muss lernen zu leben. Ich übe es jeden Tag. Das Schlimmste Hinderniss dabei ist, dass ich nicht weiß wer ich bin, ich tappe im Dunkeln. Wenn mich einer liebte wie ich wirklich bin, hätte ich vielleicht endlich den Mut mich selbst anzuschauen".




prost

brawndo, bekannt aus dem film idiocrazy, ist nun tatsächlich im handel erhältlich. da darf ein werbespot nicht fehlen, oder lass es gleich drei sein.





06.03.2008

Alles nur Modelle – zur Existenz allgemeiner Prinzipien

An einigen hier veröffentlichten Beiträgen (die auf den ersten Blick thematisch nicht unbedingt verwandt waren) fiel mir eine Gemeinsamkeit auf: Die Überlegungen oder Diskussionen erreichten oft einen Punkt, an dem nach der Existenz eines allgemeinen Prinzips gefragt wurde. Deswegen möchte ich ein paar Gedanken zu allgemeinen Prinzipien und ihrer Existenz (im Sinne von Gültigkeit) anführen.

Die Frage nach der Existenz einfacher materieller Gegenstände kann ja schon von allen philosophischen Seiten in ihrem Sinn angefochten werden. Wenn man dem aber die Frage nach der Existenz ideeller Begriffe gegenüberstellt, besitzt letztere eine ganz neue Qualität von Unsinnigkeit.

Während die Schwierigkeit der ersten Frage „nur“ darin besteht, sich darauf zu einigen was z. B. ein Stuhl ist und ein Verfahren zu finden um sich der Existenz des Stuhls zu vergewissern, ergibt sich hier ein zusätzliches Problem. Im Gegensatz zur Sitzgelegenheit ist ein Prinzip nicht räumlich lokalisierbar. Es spielt auf einer Metaebene und kann sich (im Falle seiner Existenz) in der materiellen Welt zeigen (z.B. Gerechtigkeit -> Kapitalverteilung). Der Rückschluss auf das Prinzip ist aber logisch nicht gerechtfertigt. Wichtig ist, dass dieses Problem nichts damit zu tun hat, dass Prinzipien „Definitionssache“ sind, also auch besteht, wenn man eine klare Definition des Prinzips hätte und immer bestehen bleiben wird, wenn man durch Umdefinition des Prinzips versucht Widersprüchen auszuweichen.

Am Beispiel Gerechtigkeit bedeutet das: Wenn sie sich durch eine gewisse Kapitalverteilung zeigt, und man diese beobachtet, kann man sagen „Die Kapitalverteilung gehorcht dem Gerechtigkeitsprinzip“ aber niemals „Es existiert/gilt Gerechtigkeit“. Gerechtigkeit besitzt neben der Kapitalverteilung unendlich viele andere Darstellungsformen die nicht untersucht werden können. (Meint man mit Gerechtigkeit jedoch nur eine gleichmäßige Kapitalverteilung, so ist sie kein ideelles Prinzip mehr, sondern etwas materielles)

Daher komme ich meiner Ansicht nach zu dem Punkt, dass die Gültigkeit von Prinzipien niemals beweisbar ist. Die Gültigkeit von Prinzipien ist niemals beweisbar.

Prinzipien sind Erklärungsversuche und Modelle die darauf warten, verletzt und von besseren Nachfolgern abgelöst zu werden.

Das hört sich nihilistisch an, ist aber total natürlich. Man darf an Prinzipien keinen Götzendienst leisten, denn sie sind ursprünglich aus unserer eigenen Abstraktion als Verallgemeinerungen und Erklärungsversuche entsanden. Sich ihnen zu unterwerfen und sich die Welt nun von ihnen erklären zu lassen ist genauso wie einen Computer nach Ideen für eine neue Programmiersprache zu fragen.