Shake your Style.

24.09.2008

Vom an der Kasse stehen

Seit einiger Zeit arbeite ich im Presse- und Buchzentrum im Chemnitzer Hauptbahnhof. Meistens steh ich an der Kasse, bringe ein wenig Ordnung in das unüberschaubare Chaos an Zeitschriften und sortiere Bücher nach bestem Geschmack und Möglichkeiten. Die Arbeit ist gut bezahlt, macht Spaß und da es immer viel zu tun gibt, verfliegt die Zeit recht schnell. Und ja, ich verkaufe Unmengen an Bildzeitungen, Mopos, Klatschpresse und bin natürlich stets und immer zuvorkommend und freundlich. Gewissensbisse und innere Konflikte inbegriffen. Da freut man sich sogar, 'nen 'Stern' oder noch schlimmer, 'Neons', 'PMs', Rätselhefte oder die 'Freie Presse' zu verkaufen. Wahre Freudensprünge gibt's selten, aber ab und an eine 'Zeit', manchmal den 'Freitag' und schon öfters mal die 'Süddeutsche' oder die 'FAZ' machen froh, ganz zu schweigen von den Highlights wie 'Cicero', guten Büchern oder besseren Sportzeitungen.

Das eigentlich tolle an dem Job sind die Menschen, denen man da so begegnet. Zunächst einmal erfüllen sich in der Regel die meisten Klischees. Einen Bildzeitungskäufer erkennt man mit großer Treffsicherheit (unfreundlich, von jung bis alt, definitiv aber selbstbewusst dämlich und ungebildet), genauso wie etwas verdattert oder besonders streng ausschauende ältere Frauen alles von 'Lisa' über 'SuperIllu' bis hin zu 'FreizeitRevue' und 'die Aktuelle' kaufen und Grufties sich am besten zwei Tage vor Erscheinen nach der neuen Ausgabe von 'Wahrschauer' oder 'Zillo' erkundigen. Kinder bringen 100prozentig das Kinderzeitungsregal vollständig durcheinander (unbedingt mal angucken, es ist nicht mit Worten zu beschreiben, was da so an die Jüngsten vertickert wird), Lokführer bleiben meist am riesigen Eisenbahnliteraturtisch hängen und hippe Mädels gehen entweder selbstsicher in Richtung 'Jolie', 'Glamour', 'Hair&Style' und 'InTouch' oder steuern mit großer Leichtigkeit zur größten Chemnitzer Mangaauswahl. Coole Typen kaufen 'SportBild', PC-Zeitschriften, Surfmags und manchmal sogar 'nen 'Spiegel'.

Ein paar, nicht unbedingt schöne, Highlights.

Besonders krass fand ich während der Einarbeitungszeit eine Frühschicht. Von 05.00-08.00, also bis zur Frühstückspause, hab' ich schätzungsweise 100, aber gefühlten zehn Millionen Assis und Blödmännern- und frauen die 'Bild' verkauft. So schlecht gelaunt war ich selten und irgendwann hab ich mich, statt die ganze Sache mit einer wahrscheinlich gesünderen Portion Ironie zu nehmen, im Geiste kilometerweit über diese Menschen gestellt und mit durchaus sadistischer Befriedigung Fressen poliert und das allgemeine/gleiche Wahlrecht verboten. Schon sehr beängstigend.

Ein anderes Mal kam ein total freakig, vielmehr aber traurig und einsam ausschauendes Mädchen (vielleicht 18) mit 'ner 'Bravo' und 'ner 'Wendy' an die Kasse und hat vollkommen verschüchtert und mit zitternden Händen versucht, die 3,60 mit ein- und zwei Centstücken zu bezahlen. Hat natürlich nicht mal ansatzweise gereicht. Naja, sie ist dann kurz vor den Tränen aus dem Laden gegangen und ich habe mich und die Marktwirtschaft und alles Schlechte dieser Welt verflucht.

Richtig beherrschen nicht direkt kraft überlegener verbaler Geistesstärke und Wortkenntnis auszurasten und Leute wild runterzubuttern, musst ich mich beispielsweise, als ich 'nem äußerlich relativ seriösen (wohl eher durch und durch dem Bild des Mitte 50er Spießers entsprechendem) Mann 5€ zu wenig rausgegeben hab (wir haben nur eine Kasse und es standen ca. sechs weitere Leute an, von denen schätzungsweise alle "wirklich sehr dringend zum Zug" mussten), der dann nach bemerkter Benachteiligung bösartig und natürlich lauthals und selbstverständlich im Beisein von Kindern/Enkeln und seiner peinlich berührten Frau meine Frechheit verteufelte, mich einen Anfänger und Betrüger nannte und auch nach der fünften (5!!) Entschuldigung und rasch eingestandenem Irrtum meinerseits mit unkompliziert erfolgter Rückerstattung keine Ruhe gab und stattdessen in Erwägung zog, sich bei meinem Chef zu beschweren und sich in weiteren Ergüssen über meine Inkompetenz erbrach. Nun ja, ich war wirklich höchstens eine weitere Bemerkung vor der Aufgabe meiner Passivität entfernt und wundere mich nach wie vor ob meiner stoisch an den Tag gelegten Freundlichkeit.

Das nur ein klitzewinziger Ausschnitt aus dem Sein und Dasein als Bahnhofszeitungsundbuchladenstudentenjobverkäufermitjetztauchnamensschild, gibt natürlich auch spaßige Momente und ab und an ein nettes Gespräch über dieses oder jenes Buch. Und die meisten Leute scheinen sich mindestens zu wundern, oft auch zu freuen, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt und das "schönen Tag noch" mit einem freundlichen Blickkontakt verbindet. Kleines Glück für Anfänger...

23.09.2008

The LHC accelerates the protons and the lead

Viele (oder wenige) von euch fragen sich bestimmt, worin der Sinn des LHC besteht. Egal wem man diese Frage stellt, die Antworten sind meistens verwirrend oder falsch. (Z. B. man wolle ein schwarzes Loch erzeugen, damit alle Menschen sterben. Dass dies nicht stimmen kann, erkennt man schon an der wenig wissenschaftlichen Überlegung, dass die meisten Physiker heutzutage Atheisten und Feiglinge sind und daher keinerlei Interesse an der Zerstörung der Welt haben können.)

Und wie uns die Erfahrung unaufhörlich lehrte, ist bei solchen Erziehungslücken immer wieder Verlass auf den pädagogischen Hip Hop gewesen. Das folgende Video also, so habe ich von vielen gehört, ist bereits verschrien als medial gehyped und kann daher überhauptnichtmehr als Geheimtipp unter Insidern durchgehen. Ich halte es trotz aller stilistischen Einfältigkeiten und „Massentauglichkeit“ für eine gelungene Darstellung der aktuellen Fragen und Probleme der Teilchenphysik, einer spannenden, weltbildprägenden und blühenden physikalischen Disziplin.

12.09.2008

Die hohe Kunst des schönen Reisens

Freunde, ich habe zu berichten von 'nem klasse Urlaub mit wundercoolen Typen auf'ner kleinen und feinen Insel in der Ostsee. Gemeint ist die Abenteuerfahrt feat. Wohlfühlreise von Mattes, Gilbert und mir (und leider nur fast auch von Antje und Clemens, denen dann doch was dazwischen kam) nach Bornholm.

Mit Fahrrad, Zelt und Gaskocher ging's von Bautzen nach Greifswald zu Gilbert zum Musikmachen und danach zur Weiterfahrt nach Sassnitz. Von dort dann per Fähre nach Ronne auf Bornholm und die folgenden zehn Tage quer durch die Insel, zunächst in die Mitte, dann in'n Süden, Osten, wieder Mitte und schließlich in den fantastischen Nordwestteil 'Hammershus'. Schlechtes Wetter am Anfang, Sonnenschein danach und am Schluss auch gut. Hier ein paar Bilder.

Bornholm


Natürlich verging die Zeit viel zu schnell, aber ich schätze wir alle sind selten entspannter und gestärkter von 'ner Reise zurückgekommen. Ich habe nicht oft eine so gute Stimmung und harmonisches Beisammensein erlebt, davon wird noch lange zu zehren sein.

Erlebt haben wir verdammt viel und noch mehr an Eindrücken und bleibenden Bildern gewonnen, was aber alles besser und ausführlicher bei Tee und Bier, Tabakqualm, viel Zeit und vor allem in gemütlicher Runde erzählt werden sollte.

Abschließend noch mal der verbale Handschlag in Richtung Gilbert und Mattes, super Urlaub. Und bitte berichtigt oder ergänzt mich nur immerzu und fleißig.

05.09.2008

Die hohe Kunst der tiefen Schläge

Es war nicht allzulange her, da kannte ich die Wendung "etwas verreißen" nur als Beschreibung eigener Fehler. Doch als ein Journalistenfreund meinte, die Zeitung Dingsda habe im Kulturteil das Konzert von Sowieso total verrissen, offenbarte sich mir die enorme Teekesselnatur dieses scheinbar harmlosen Verbs. Man könnte nun noch darauf eingehen, dass das Wort Verriss verwandt ist mit Ferris MC, oder dass der weltoffene Bruder des Verreißens, sich durch die Verwendung des herkömmlichen s statt des ßs auszeichnend wieder ein ganz anderer Schuh ist - Georg und Mattes erleben es gerade am eigenen Leib - aber ich möchte mich dem Verreißen widmen.

Von Anfang an war mir klar, dass es hier nicht darum geht, nur ein paar kritische Anmerkungen auf die feine englische zu machen. Ein Verriss im journalistischen Sinne bedeutet Reviewkloppe und verbale Schmäh. Der zu Unrecht selbst ernannte Künstler muss für jeden unausgereiften Gedanken seines Schandwerkes büßen und wie ein Vieh herumgetrieben und geschlachtet werden. Zweitens ist es sicherlich nicht die anspruchsvollste Art, eine Kritik zu verfassen. Daher möchte ich heute auch einen Verriss produzieren. Dazu in meinem Bücherregal ein Opfer ausfindig zu machen fällt mir nicht schwer. Wenn ich meinen Blick über die Buchrücken gleiten lasse kommt so manche Wut in mir hoch, soll heißen Ungesagtes stößt mich auf, beim Betrachten eines bestimmten Buches. Normalerweise hätte ich es schnell weggelegt. Doch dem Schenker zuliebe habe ich mich immer wieder aufgerafft, mich ein paar Seiten weiter zu quälen. Dadurch ist es zum Verriss geradezu prädestiniert. Nicht nur, dass ich meiner Seele etwas gutes tun kann, auch der Geber kann wissen, dass er mir die Freude des Verreißens geschenkt hat, welche höher als die Lektüre eines guten Buchs sein muss.

Mein erster Verriss: Harro von Senger - Die Kunst der List: Strategeme durchschauen und anwenden, Beck, 2001

Wir alle wissen, wenn ein Buchtitel nur die geringste Lebensweisenaltklugheit ausstrahlt, dann ist Obacht geboten. Tatsächlich lungern unter dem Sachbuchmantel fast 200 Seiten nichtsnütziges Geschwätz. Das Buch ist in 36 Kapitel unterteilt. Ein Zahlengaudi der es bereits unmöglich macht, den Inhalt des Textes einer denkfreundlichen Einteilung zu unterziehen. In den ersten Kapiteln erklärt der Autor zunächst sehr ausgedehnt und tatsächlich nur scheinbar die Unterschiede der Begrifflichkeiten List, Strategie und Strategem. Dann folgen 12 Kapitel, in denen völlig banale Thesen vor dem Leser breitgetreten werden, beispielsweise:

  • Auch in wohlhabenden Kreisen fallen Menschen der List zum Opfer
  • Es ist besser eine systematische Darstellung aller Strategeme anzustreben, anstatt einfach nur eine ungeordnete Aufzählung von Listen zu haben
  • Überall auf der Welt werden Listen angewendet
  • Wer die Kunst der List beherrscht, wird sich im Leben gut zurechtfinden
Außerdem schimpft der Autor ständig auf die „westliche Strategemblindheit“ und die abendländische Naivität, nach welcher die List etwas unaufrichtiges darstellt. Immer und immer wieder heißt es, der Westen solle sich mal lieber vorsehen und mit höchster Ehrfurcht die 36 chinesischen Strategeme studieren. Und jedes mal muss der Leser (als Vertreter des „Westens“) denken: Das versuche ich ja die ganze Zeit, aber du rückst nicht mit der Sprache heraus. Wenn man das Wort Listenliste nicht mehr lesen kann und den Eindruck bekommt, dieses Buch werde niemals zum eigentlichen Thema vorstoßen, wird eine völlig unübersichtliche Liste der 36 Strategeme präsentiert. An dieser Stelle habe ich beschlossen, meinen Lesegenuss vorzeitig abzubrechen. Anhand der Überschriften der folgenden Kapitel und dem gewonnenen Eindruck des Autors konnte ich bereits grob überschlagen, dass das Folgende keine feine Analyse des Strategemsystems wird, sondern nur eine unzusammenhängende Aufreihung von Beispielen und Schöpfung weiterer Synonyme, welche alles noch unübersichtlicher machen und eine scheinbare Komplexität schaffen. Ich schlug das Werk der Niedertracht zu und sehe, wie auf der Rückseite hoch getönt wird „Harro von Singer ist der führende westliche Forscher auf dem Feld der Strategemkunde“ - dann muss er auch der einzige sein.

Allgemeines Vorgeplaudert

Hallo liebe Freunde.
Nun nach langen Versprechungen ohne Taten hab ich es endlich geschafft mich anzuschließen. Ich hoffe sehr, dass euer Kreis noch ein wenig Platz für mich bereithält. So möchte ich doch ein kleines bisschen Abwechslung hinzubringen, die den Blog mit Naturwissenschaft und Anderem füttert.
Ich grüße also alle die hier sind und gedenke, die Heiterkeit des Blogs in seiner Vielfalt nur zu fördern. Anbei noch einen herzlichen Dank an clem, der mir (und sicherlich auch euch) die Möglichkeit dazu eröffnete.