Shake your Style.

29.05.2007

Dilemma

Was dem Fischer sein Haken ist wohl dem Fleischer sein Wort. Die Metapher ist vorhersehbar und soll deshalb offen bleiben, möchte ich doch nur ungezwungener Maßen meiner Begeisterung hiermit hierfür Ausdruck verschaffen.
Nun bleibt selten etwas unkommentiert, deshalb Finger weg von der Fernbedienung und nei ins wilde Leben. Tot ist nicht nur Humboldt, auch seine Ideen sind verworfen, auseinander gerissen im Strudel dieser Tage und vernichtet im Schlund der Effektivität unserer Gesellschaft. War vormals von Freiheit und Einheit in Forschung und Lehre zu lesen, war der Grundgedanke die Universalität von Wissenschaft, so sitzen wir nun vor dem Scherbenhaufen aus effizienzverzehrten neuen Hochschulgesetzen, Bologna-Prozeß und Verschulung unserer Studiengänge. Die konsequente Wandlung vom Wissenschaftsbild des deterministischen Chaos' hin zum marktorientierten Zielsystem ist längst vollzogen, der Protest sowohl von Seiten der Professoren als auch Studenten allenfalls kleinlaut und kaum vernehmbar. Es soll hier nun angemerkt werden, dass die beschlossene Veränderung des europäischen, insbesondere deutschen Hochschulraums zwangsweise ein zu Kreuze kriechen der Wissenschaft vor der Wirtschaft bedeuten, ein drastisch sinkendes Studienniveau v.a. in wirtschaftlich schwer zugänglichen Studiengängen nach sich ziehen und der Gesellschaft die größte Konstante für individualistischen Fortschritt und unabhängige Forschung entziehen wird.

2 Kommentare:

clem hat gesagt…

(Es ist vielleicht naiver Optimismus, aber) Auch wenn dies den Triumph von Wirt- über Wissenschaft darstellt, muss doch vielmehr gefragt werden, welche Abhängigkeiten dazwischen bestehen?

Abhängigkeit Wissen- von Wirtschaft: Gerade heute (esbeschli in se moddern teims) fordert der Wissenschaftszirkus enorme Investitionen (z. B. Teilchenbeschleuniger).

Abhängigkeit Wirt- von Wissenschaft: Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass eine von der Wirt- in Ruhe gelassene Wissenschaft die bahnbrechenden Entdeckungen hervorbringt, und nicht ein Haufen minimaleffektivausgebildeter Schnellberufseinsteiger.

Die zweite Abhängigkeit ist genauso evolutionär wie die erste (finanzielle), jedoch elementarer. Daher hoffe ich, dass eine Wissenschaft in Armut, der Wirtschaft hilft, ihre Dummheit zu erkennen. Oder um das Symmetriespiel einfach auszudrücken: Wissen bringt Geld und nicht umgekehrt.

Ich habe langfristig gesehen Hoffnung, auch wenn es vielleicht eine spontane Laune im Moment des Lesens deines Artikels ist.

georg hat gesagt…

Eigentlich geht es bei dieser, ich nenn es einmal "Debatte" (obwohl es eher die Diskussion über einen tatsächlich längst beschlossenen Prozess ist), nicht über Abhängigkeiten. Das diese bestehen und auch wie diese aussehen ist sehr wohl bekannt, wobei es sich natürlich vielmehr um Abhängigkeiten zwischen Gesellschaft (in einer großen Teilmenge freilich durch wirtschaftliche Vertreter am Hochschulbildungsprozess partizipiert) und Wissenschaft handelt. Es geht ausserdem nicht um einen Triumph einer (keinesfalls eindeutig zuzuordnenden) Gruppe über die andere, sondern um den streng rationalen Prozess der Beschneidung von der bisherigen Form und Idee von Wissenschaft in Forschung und Lehre.

Natürlich stimme ich mit dir darin überein, dass die wichtigen, pluralistisch nutzbaren und fortschrittlichen Entwicklungen und Erkenntnisse stets in Phasen freier Wissenschaft entstanden (abgesehen von Innovationen auf militärischer Basis, mit allerdings meist bekannten Folgen) und dass dies auch den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik bekannt ist. Doch gerade in diesem Punkt kommen wir auf die viel zitierten aktuellen Tendenzen, also zu hohe Bildungskosten (weil deutsche Universitäten vom Staat und damit der Allgemeinheit finanziert!), sinkende Motivations- und Leistungsbereitschaft seitens der Studierenden und v.a. die von einer sich globalisierenden Wirtschaft dringend benötigte Vereinheitlichung der Abschlüsse sowie berufliche, nicht wissenschaftliche Qualifikation, zu sprechen. Demnach bringt nicht Wissen Geld, sondern liegt das Augenmerk auf garantierte, effizient einsetzbare Fähigkeiten auf Grundlage von Spezialwissen und ökonomischer Integration. Schließlich muss beachtet werden, dass es in zunehmender Form nicht nur einen Wettbewerb (impliziert die Vorstellung nach Markt- und Berufsorientierung) zwischen einzelnen Hochschulen dieses Landes gibt, sondern dass mittlerweile ganze Hochschulräume in denkbar größenwahnsinnigen Einteilungen (Nordamerika, Europa, Asien) um die Vorreiterrolle in der Ausbildung qualifizierter Fachkräfte und wissenschaftlicher Innovation in wirtschaftsnahen Teildisziplinen (also v.a. Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften – Geistes- und Gesellschaftswissenschaften sind die definitiven Verlierer) streiten. Die westeuropäische, speziell deutsche Gesellschaft (um einmal mehr diese zugegeben vage linguistische Konstruktion zu benutzen) kann oder wird sich zumindest nicht mehr wie bisher dem Risiko eventuell uneffizienter Wissenschaft bedingungslos ergeben.

Um einen dennoch nicht völlig negativen Eindruck stehen zu lassen, möchte ich das Beispiel der englischen Hochschulreformen im Rahmen eines extremen Qualitätsprogramms Anfang der 1990er einfügen, in deren Zug die Forschungseffizienz britischer Universitäten um ca. 40% gesunken ist, woraufhin Staat und Politik einlenkten und die Reformen rückgängig machten.