Ich gebe mich zu erkennen
Man nennt es auch "sich outen". In meinem Fall als begeisterter Anhänger von "Sturm der Liebe". Dafür rechtfertige ich mich ganz bestimmt nicht, vielmehr staune ich darüber, dass auch wenn meine ironische Einstellung zur Sache nie verloren ging, sich schon nach wenigen Episoden eine wohltuende Vertrautheit entwickelte, die es mir inzwischen einen Hochgenuss werden lässt, den Fortlauf der Geschichte zu verfolgen.
Das Sendeformat ist keine Soap, sondern eine Telenovela. In diesem Fall handelt es sich um eine Geschichte, die immer fortgesetzt wird. Sie ist unterteilt in lang ausgedehnte Staffeln, deren Höhepunkt darin besteht, dass ein bestimmtes Paar zusammenkommt. Zumindest vermuten wir das, weil in der ersten Staffel Laura und Alexander als glückliches Paar im Vorspann zu sehen waren und am Ende dieser zusammen kamen. In dieser Staffel ist das Quotenpaar Robert und Miriam (Er: Küchenchef und Sohn des Hotelbesitzerpaares, sie: Ex-Behinderte gutherzige Tochter der Superintrigantin Barbara von Heidenberg) die allerdings beide ihrerseits in anderen Beziehungen bzw. Ehen leben.
Selbstverständlich distanziere ich mich klar von Ansichten wie dieser, nach welcher man erst die kindliche Naivität durch Sarkasmus ersetzt und im höheren Alter eine neue Stufe der "erneuten, überlegenen Naivität" entwickelt, die es einem erst ermöglicht, die Serie zu genießen. Ich genieße sie deshalb, weil die Charaktäre vollkommen durchschaubar sind und daher ausschließlich vorraussehbar handeln. Sie begegnen prinzipiell immerwieder den gleichen Problemen, ziehen aber nie die nötigen Schlüsse um sich in ihrer Bewältigung zu verbessern. Das überraschende Moment wird dennoch geboten, nämlich durch seltendämliche Zufälle, die dafür sorgen, dass jemand etwas weiß, was er nicht wissen darf, etwas vom Falschen als erstes erfährt oder etwas falsch versteht, weil er zu spät anfängt zu lauschen. In den surrealen Mikrokosmos eines bayrischen 5-Sterne-Hotels, in dem sich alle kennen, verwandt sind, zusammen arbeiten, nach Feierabend zusammen essen und garnicht allzu selten auch Geschlechtsverkehr (1, 2, 3, 4) machen, werden diese Verwicklungen von den Machern geschickt miteinander zu einem Feuerwerk der Skandale und Mauscheleien verflochten. Man kann es also so sehen, dass sadistische Autoren ein System von Aufgaben für ein Rudel geistig behinderter Roboter konstruieren, die ihre anspruchslose Gefühlsalgebra darauf anwenden und durch ihr Idiotenglück kurz vor der Klippe umdrehen.
Für mich gehört diese Serie jedenfalls allmählich zum Tagesablauf und ich sehe sie selten allein. Mit anderen Sympathisanten reflektiere und sinniere ich sogar tagsüber gelegentlich über das Gesehene.
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