Shake your Style.

12.03.2008

Charlotte Roche ist zurück

und gestern durften wir zuhören, wie sie aus ihrem neuen Roman Feuchtgebiete vorgelesen hat. Die sexuell selbsterkundungsfreudige Hauptperson Helen ist das ganze Buch über wegen einer Analfissur im Krankenhaus und monologiert größtenteils über Körperflüssigkeiten und Fick- bzw. Masturbationserfahrungen. Charlotte Roche verkleidet mit ihrem hochpornografischen Romandebüt erstmalig ausführliche Statements ihrer Wut gegen pornofeindlichen Feminismus und weibliche Hygienehysterie, die sich schon oft in ihren Äußerungen andeutete.

Wie sie gestern selbst formulierte, volle Kanne Sexbuch geschrieben. Super funky Lesetipp für junge Leute!

14 Kommentare:

lydia hat gesagt…

Nun ja, ich habe sie heute auf der Buchmesse erlebt, wie sie da saß zwischen den Schulkindern und den kichernden Studi-Girlies.Sie hat mir wohl auch ein bisschen Leid getan, denn sie ist fast hinter ihrem Buch verschwunden, während sie daraus mit einer Piepsstimme die "heißen Passagen" vorgetragen hat. Nun denn Charlotte Roche (und wie die Zeit-Kolumne verkündete spricht man das Englisch aus...?)
ein Verkaufshit wirds wohl trotzdem.

mattes hat gesagt…

ich glaub das funktioniert charlotte...
wird bestimmt ein verkaufsschlager.
wobei das buch auf seinen allgemeinen pädagogischen wert/sinn hin wohl erst noch zu prüfen ist.
außerdem kann ich mir beim besten willen nicht vorstellen, dass es überwallenden anklang im rotlichtmilieu finden wird. wenn doch, sollte man von staatswegen ernstlich dem gedanken des ausbildungsberufs "staatlich geprüfter zuhälter" nachgehen, um es nicht ausufern zu lassen.

mir stößt es im grunde aber ziemlich auf bei einer solchen herangehensweise an dieses thema. denn zuviel undurchsichtigkeit, schmutz und leid klebt oft an der gekauften liebe, sei es in form von körpern oder datenträgern.
und ganz subjektiv sträube ich mich, sex und liebe voneinander zu trennen. da bin ich vielleicht ein wenig altmodisch.
naja, ich muß es wohl mal lesen. und falls sie darauf hinaus will, dass dem thema grad in der öffentlichkeit das natürliche verloren gegangen ist, dann stimmt dies wohl, charlotte.

clem hat gesagt…

Bei pornografischer Literatur kann es sich einfach nur um niedergeschriebene Fantasien einer einsamen Germanistikstudentin handeln. Was hat das denn mit Rotlichtmileu zu tun?

christin hat gesagt…

ich denke, dieses geschichtchen zeigt mal wieder, dass das bloße wort "sex" die mediale aufregung (und damit auch die verkaufszahlen) in schwindelergegende höhen treiben kann. dabei ist es völlig egal wie gut/ schlecht dieses buch auch immer sein mag. ich finde diesen trend echt erschreckend! und muss mattes an dieser stelle recht geben, dass sex und liebe trennen einfach nur komisch ist. wer diese verwirrung zu verantworten hat, hat sich damit seine weiße weste ganz schön bekleckert.
zur charlotte und ihren äußerungen von "fair trade"- puffs fällt mir echt nix mehr ein! dafür aber den journalisten, die in ihr eine "hardcore"- feministin sehen. ich denke, das bedarf echt keiner worte mehr.

die_antje hat gesagt…

ich habe allerdings die lesung als sehr erfrischend empfunden. charlotte machte nicht den eindruck, mit diesem buch nur aufgrund des prikären themas geld machen zu wollen. ich ziehe eher den hut vor ihr, denn sie hat ihre geheimen fantasien zu papier gebracht, was ihr beim vorlesen selbst sogar bisschen peinlich zu sein schien. sie hat mit diesem buch niemandem weh getan, niemanden gezwungen... ich finde nicht, dass dieses buch einem allgemeinen sex-trend folgt - im gegenteil. an diesem buch klebt kein blut oder sonst was. man sollte viel eher akzeptieren, dass manche leute sexuelle fantasien haben, diese niederschreiben oder sie ausleben, solange dies niemandem weh tut. pornografie bedeutet nicht automatisch gewalt, missbrauch, milieu, finanzieller druck oder sonst was. pornografie ist auch nicht automatisch nur dafür gemacht, perverse leute auf schlimme ideen zu bringen.
allgemein würde ich sagen, pornografie könnte die trennung zwischen liebe und sex sogar verkleinern - um es jetzt mal ein wenig auf die spitze zu treiben. denn wieviele beziehungen gibt es, wo die erotik vollkommen aus der liebesbeziehung ausgeschlossen wird. porno wird doch in den meisten fällen von pärchen genutzt, um wieder schwung oder so in die beziehung zu bringen. da kann man doch eigentlich nix dagegen haben.
mein fazit also: gucken, wann porno wirklich hard(gewalt-)porno ist und wann nicht.
was das thema puff angeht, habe ich natürlich auch ein flaues gefühl im magen, denn welche frau kann sich denn vorstellen, sich freiwillig zu prostituieren. aber genau das sieht charlotte roche genauso. faire trade puffs sollen ja sicher stellen, dass frauen nicht gezwungen werden. und obwohl das vielleicht etwas merkwürdig klingt, es scheint wirklich frauen zu geben, die ihrem für uns "schmutzigen" job freiwillig nachgehen.

mattes hat gesagt…

ich hab nur das gefühl , dass charlotte das ganze thema ein bisschen zu marktschreierisch und plakativ angeht, nach dem motto parole verpackt und aber immer mit,naja, witz auch...

was das thema pornografie betrifft,
erinnere ich mich nur an meinen letzten spaßenthalben besuch einer P18- abteilung ner videothek in salzburg.
wir versuchten dort, die titel der streifen nach literarischer tiefe zu kategorisieren. aber letztendlich hat mich das niveau bei all der albernerei doch abgeschreckt. nicht, dass es pornos oder anleitungen zum erfüllten liebesleben gibt, sondern
dass es kein angebot/keine auswahl gibt, bis auf die konfektionsgrößen der frauen.
alle haben verkrampft versucht, dem besucher ihre geschlechtsorgane förmlich ins gesicht zu drücken. aber ich denke, wenn es im bett krieselt, liegt das meist nicht nur an den dafür vorgesehenen einrichtungen. etwas erotisches konnte ich da einfach nicht entdecken. und ich rede hier nicht von vox ab 0:00 Uhr.

ist auf jeden fall ein schmaler grad die ganze geschichte.

da hilft nur lesen und urteil bilden...

Ändy hat gesagt…

Zitat von Unbekannt: 'Wenn Gott wollte, dass wir uns gegenseitig unsere Geschlechtsorgane zeigen, hätte er sie schön gemacht'

Pro: Prinzipiell habe ich nicht gegen Sex ohne Liebe. Ist doch viel eher ein Ausdruck des Indiviualismus, und dass man das macht wozu man Bock hat. Es gestalltet das Leben doch um einiges Aufregender und prickelnder. Wer spass dran hat, solls halt machen, zumal ja immer 2+ dazu gehören.

Contra: Nur finde ich auch, man sollte nicht zuviel Kraft in die Auswahl seiner Protagonisten im Bett investieren, es gibt doch noch einiges nebenher, was Beachtungswürdig ist. Die Verknüpfung von Nebenher (Moral) mit seinem Sexleben sei dann jedem selbst überlassen, und ist wohl ne Frage des Geschmacks.

Charlotte ist cool, weil sie macht was sie will, aber über ein amüsiertes schmunzeln kommt sie bei mir nicht hinaus. Dieses Urteil muss und nimmt sie wohl in kauf, wenn sie derart schreibt.

michael matschie hat gesagt…

also ich bin wirklich etwas erschreckt über manche Bemerkungen und Kommentare.

sicherlich ist das Thema Sexualnorm eine sehr empfindliche Stelle bei jedem von uns. aber solange es um Meinungen und Selbstverwirklichung geht sollte man liberal sein. jeder sollte selber wissen wie weit er gehen kann und gehen will. es gibt viele Frauen die sich prostituieren weil sie das Geld brauchen. und es ist falsch zu sagen diese Frauen sind schlecht weil sie liebe für Geld verkaufen und dadurch versuchen zu überleben, womöglich noch kinder durchbringen müssen.

@ mattes wenn du dich über pornographie lustig machst, bist du am Ende immer selber der Dumme. es geht bei pornos schliesslich um Triebe und nicht um irgendetwas das im Kopf entsteht.

georg hat gesagt…

jaja, der "freie Wille"... Ich finde, mit ihm zu argumentieren ist ein wenig hinterlistig und auch irreführend, weil Schlicht als Legitimation von allem und jedem zu gebrauchen.

Ein Zitat aus der Reportage "Die Rückkehr des Sextourismus": "Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Prostituierte kennen gelernt, die ihren Job gern, geschweige denn diesen aus eigenem Antrieb gemacht hat. So wie man bspw. Arzt oder Maurer oder was auch immer aus eigenem Antrieb zu werden pflegt."

Der große (freilich: moralische) Unterschied zu den letztgenannten Berufen: Handel mit dem eigenem Körper --> Verkauf (Vermietung) der grundlegenden Ressource, die nicht nur unser physisches, sondern auch unser ethisches Dasein (Würde + Privatsphäre) bestimmt. Vom "freien Willen" ist schon aus diesem Grund nur mit der AUgenbrauhe nach oben zu sprechen, ganz abgesehen von dem, was die Bewertung der die in die Prostitution treibenden Faktoren betrifft. Der Unterschied zwischen Zwang und "keinen anderen Ausweg finden" und 'ner ganzen Menge mehr ist wohl eher fließend und kaum feststellbar.

@ michau: kann in den comments leider nirgendwo einen Hinweis finden, dass jemand Prostituierte als schlechte Menschen diffamieren würde.

@ antje: "was das thema puff angeht, habe ich natürlich auch ein flaues gefühl im magen, denn welche frau kann sich denn vorstellen, sich freiwillig zu prostituieren. aber genau das sieht charlotte roche genauso. faire trade puffs sollen ja sicher stellen, dass frauen nicht gezwungen werden" --> ist das nicht ein Widerspruch?

@ andré: da fällt mir nicht viel ein, außer dass ich, gelinde gesagt, überrascht über diese deine Ansicht bin. Sex als ausschließliche Triebbewältigung hat zumindest ganz und gar überhaupt nichts mit Individualismus zu tun, allerhöchstens mit dem Wegfall des Respekts vor dem Geschenk der Nähe zu anderen Menschen. Im Umkehrschluss verliert nämlich die Liebe (in der Sex das körperliche Pendant zur geistigen Verbindung darstellt) an Wert und verkürzt sich auf die geistige Ebene. Besonders verwirrend finde ich in diesem Zusammenhang das "keine Küsse im Puff"-Prinzip, als ob sich die Protagonisten einen letzten Hauch speziell auf nur einen ganz bestimmten Menschen gerichtenten körperlichen Zuwendungsmöglichkeit offen halten möchten.

Zum Thema Porno bleibt mir abschließend nur hinzuzufügen, eher an (freilich erregende) Tierpaarungsorgien erinnert zu werden. Ganz und gar unbegreiflich erscheint mir vor allem die Tatsache, wie es dafür Rechtfertigung geben soll, bei dem gleichzeitigen Streben, andere menschlicher Triebe wie dem berühmten der "Faust ins Gesicht" und Tendenzen einer Gesellschaft wie der allgemeinen Verdummung (als Folge bspw. von Disziplinlosigkeit im Geiste) aber bekämpfen zu wollen. Bild Zeitung scheiße finden aber Pornos gucken...

Wahrscheinlich hab' ich ein etwas zu eng gefasstes Bild von der ganzen Geschichte und verfange mich in wertkonservativem Gerede. Nichts desto trotz bleibe ich dabei, enthalte mich aber einer abschließenden Beurteilung, peace.

clem hat gesagt…

Ich glaube hier läuft eine lebendige Kontroverse, bei der jeder leider ein bisschen von etwas anderem spricht.

Wenn man von genereller Pornografie, handelsüblicher Pornografie auf Video, Prostitution oder eben dem vorgestellen Buch spricht, sind das 4 komplett verschiedene Dinge.

Mich stört etwas der feindliche Grundton. Wenn man Pornografie (Darstellung mit dem Zweck sexueller Erregung) generell unmoralisch findet, dann ist man gegen jede Form von medial inspirierter Aufgeilung. Wie soll das begründebar sein? (Etwas anderes wäre es zu sagen, man selbst habe eine solche Vorliebe einfach nicht (oder noch nicht entdeckt).)

georg hat gesagt…

Also gut, nach einem sehr interessanten Gespräch gestern Abend mit dem Michau, habe ich mir gedacht, ein wenig die Fronten zu glätten und die Meinungen einmal zusammenzufassen (und ihnen damit hoffentlich gerecht werden). Auch muss ich dir, Clemens, zustimmen, dass hier weitestgehend über verschiedene Dinge vermengend gesprochen wurde (wobei ich deine Äußerung "Wenn man Pornografie (Darstellung mit dem Zweck sexueller Erregung) generell unmoralisch findet, dann ist man gegen jede Form von medial inspirierter Aufgeilung." nicht verstehe. Bitte um Aufklärung).

Nun aber zum Versuch einer Zusammenfassung und Gegenüberstellung der Meinungen.

1.) Zum Buch:
Dieser Punkt ist sehr schnell zu behandeln, denn ein Großteil hat's nicht gelesen und kann sich deshalb allerhöchstens ein sehr eingeschränktes Urteil erlauben. Primär haben die Beiträge auch nichts mehr mit diesem zu tun, der Post über Charlotte war scheinbar schlicht der berühmte Stein des Anstoßes.

2.) Sex ohne zu lieben (besser: Sex zwischen Menschen außerhalb einer Partnerschaft):
Um es vorweg zu nehmen: Eine Bewertung (und um eben diese Bewertung geht es, nich mehr und nicht weniger) dieser Thematik ist zutiefst moralisch bedingt und weitgehend persönlich.
Als Argumente dafür wurden Selbstverwirklichung (in Form individuellen Auslebens), die Legitimation des primären Auslebens sexueller Triebe (relativ unabhängig vom Gegenüber) und als Basis die Freiheit der mindestens zwei Beteiligten, über eben dieses selbst und frei zu entscheiden. Zwang als Folge direkter, unmittelbarer Handlungsanweisung eines Dritten oder eines der Beteiligten wurde natürlich abgelehnt.
Dagegen sprachen vor allem die angeführte Trennung der Exklusivität (und damit der Wertigkeit) von körperlicher und geistiger Liebe (mit einer Person zu schlafen ist nicht mehr länger "Vorrecht" eines Partners) und vor allem die scheinbare Willkür in der Auswahl positiver (also auslebungswürdiger Triebe wie z.B. Sexualtrieb) und negativer Triebe und Eigenschaften des Menschen (also bspw. der Thanatos-Trieb oder die Faulheit im Geiste).

3.) Prostitution im theoretischen Zusammenhang (also die hauptsächlich ideelle Bewertung):
Als Argumente für die Legitimation sprach vor allem der Glauben an die Existenz der Unterscheidung von zwanghaften und sog. freien (selbstbestimmten) Entscheidungsmöglichkeiten, die im Regelfall eine Frau zur Prostitution bewegen. Über die Bewertung von Prostitution aufgrund eindeutig als Zwang zu definierenden Gründen (also wie oben erwähnt in Folge bspw. direkten Befehls bei Androhung schwerer Sanktionen) brauchen wir nicht zu sprechen. Die andere Form der Prostitution (bspw. in Folge von Armut), bei der es zumindest noch eine geringe Anzahl anderer Handlungsoptionen gibt, wurde unter Basis eines liberalen Grundverständnisses weitestgehend toleriert und akzeptiert.
Auf Seite der Gegenargumentation findet sich zunächst der Schluss, der aus der nach Punkt 2 logisch zu folgernden Ablehnung von Sex ohne Liebe herrührt. Weiterhin wurde die Unterscheidung von zwanghaften und freien Entscheidungen kritisiert, da man sehr wohl Faktoren wie Armut oder Drogensucht, also indirekten Faktoren, ein zumindest zwanghaftes Element nicht absprechen wird und auch bei scheinbar direkt zwanghaften Faktoren sich oftmals Handlungsoptionen finden lassen, die Prostitution als Folge nicht mehr zwingend notwendig machen. Weiterhin ist von einer Unterscheidung in formelles und ideelles Recht zu sprechen, wonach sicherlich keiner der in diesem Blog Versammelten, einem Menschen mittels Strafandrohung Prostitution verbieten würde (formelles Recht), aber auf der Ebene des ideellen Rechts (welches zutiefts subjektiver Natur ist) eine negative Bertung diesen Handelns schlussfolgert. Folge der Unterscheidung ist ein, denk ich, von allen getragener formeller Liberalismus, während ein Teil von uns besonders auf wertrationaler Basis gewissen iliberale/wertkonservativer Ansichten hat, die sich aber wie in meinem Fall an die Pflicht des und der Menschen allgemein richtet, sich aufzuklären und aufgeklärt zu werden (in Form des Diskurses, keinesfalls mittels Belehrung) um ferner und daraus resultierend überhaupt erst zur Möglichkeit zu gelangen, so frei (selbstbestimmt) als möglich handeln zu können. Ein abschließender Punkt ist die widerum scheinbar willkürlich Beurteilung legitimationswürdiger kapitalistischer Vorgänge (nichts anderes bedeutet es, wenn ein Mensch seinen Körper als Ware veräußert) bei gleichzeitiger ablehnenden Haltung bspw. gegenüber Siemens oder Microsoft (sorry für diesen freilich sehr weit herbeigeholten Vergleich).

4.) Prostitution auf der Welt als real existierendes Phänomen:
Auch hier ist es relativ kurz zu fassen: Wir wissen alle, dass in vielen Ländern dieser Erde und vielen Bereichen einer Gesellschaft man sehr oft und sehr naheliegend von definitiv zwanghafter Prostitution sprechen muss. Weiterhin meine ich festgestellt zu haben, dass keiner von uns sich freiwillig prostituieren würde und auch nicht als Freier in Frage kommen würde, also für sich selber Prostitution ablehnt.

5.) Porno:
Im Wesentlichen treffen hier die unter 3. aufgeführten Erörterungen zu. Darüber hinaus kam es vor allem zur Diskussion um den Anspruch von Pornos (Erotik/als positiv zu bewertende und erfüllende sexuelle Inspiration/Aufgeilung/Trieberfüllung bedarf Tiefe vs. Triebe orientieren sich nicht am ästhetischen/abstrakten/ideellen Anspruch) und weiterhin zur Frage, ob die Meinungen hier nicht vielfach aus bestimmten gemachten/nicht gemachten Erfahrungen resultieren.

Ich hoffe, hier jetzt einiges auf den Punk gebracht haben zu können (und nicht irgendwas wieder falsch verstanden zu haben), vor allem der offensichtliche Spalt zwischen den Meinungen und der von Clemens bekundete Punkt des rauhen Tons, haben mich zu diesem etwas längeren Comment bewegt.

clem hat gesagt…

Danke für die Gedankenordnung Georg.

Ich teile deine Beschreibungen bis auf die in Punkt 5. (80% Konsens, was Ordnung manchmal bezwecken kann!) Da du auch anfangs meintest, mein Statement nicht verstanden zu haben möchte ich nochmal sagen, dass eine Darstellung zum Zwecke sexueller Erregung keinesfalls Akteure braucht, sodass ich deine generelle Zuordnung zum Problem des Zwanges nicht richtig finde. (Z.B. die Formen Text, Trickfilm oder Privatvideo)

Es geht also vielmehr darum, es (nicht) verwerflich zu finden sich medial aufzugeilen. Und ich finde medialer Konsum darf nicht nur zur intellektuellen Beschäftigung dienen sondern auch zur Unterhaltung. Und Unterhaltung spricht auch Humor, Triebe u.ä. an.

Erlebte Sexualität muss nichts mit Liebe zu tun haben. Wenn man es z.B. an einem lauen Urlaubsabend am Meer beim Pullern im Freien genießt, wie einem der Wind zwischen die Beine streift, im Bus auf der Rückbank das Vibrieren des Motors angenehm findet, oder ein erotisches Buch liest, muss man dazu niemanden lieben. Und es hat auch nichts mit Untreue oder moralischer Verwerflichkeit zu tun.

Ändy hat gesagt…

Ein Thema, was sich im Einzelnen am Ende in unzähligen Relativierungen ergießt und welches in seiner Erscheinung weit davon entfernt ist einem allgemeines Prinzip zu gehorchen. Man könnte noch allerlei Stellung zu Pornografie oder Sextourismus beziehen, aber ein Punkt lässt sich da wohl nicht finden. Deshalb nochmal einen Schritt zurück, um vielleicht noch eine etwas andere Ordnung hereinzubringen.

Worum es bei der Beurteilung der Handhabe, Auslebung sexueller Bedürfnisse, was sich im Buch von Charlett manifestiert, geht, ist meiner Ansicht nach die Frage in wie weit die Handlung des Sex von übrigen Begleiterscheinungen unabhängig ist. Sicher stellt der Sex kein autonomes Element unseres Mikrokosmos dar, sondern ist z.B. abhängig von der Attraktivität unseres Sexualpartners aber auch bei manchen noch mit ethnischen Ansichten verknüpft. Ein vorgegebenes Schema wie wir welche Ansichten wie Stark mit die Sex verknüpfen gibt es nicht, und untersteht höchst individuellen Mechanismen wie etwa der Art der Meinungsbildung oder der Intensität des Überdenkens der eigenen Handlungen. Wie gesagt, ist das Zulassen beinflussender Faktoren auf DAS Geschmackssache, und weil ich ideal für eigenverantwortbares Handeln stehe, gestehe ich auch bei diesem Thema jedem freizügigste Ansichten zu. Verhält man sich dann entsprechend seiner eigenen Ansichten, handelt es sich für mich um Individualismus. Nicht mit unseren Ansichten konforme Weisen mit das Sex umzugehen muss man tolerieren, wenn auch nicht gleich akzeptieren, eine allgemeine Gebrauchsanweisung dazu gibt es nicht und sollte es nicht geben.

Noch einige Stellungnahmen zu den zentralen Anstoßpunkten:

Umtriebiges Sexualleben: Wird von mir akzeptiert, wobei ich es ausgedehnt auf mein Umfeld selber nicht pflege. Sexualität ist ein natürlich vorhandenes Bedürfniss, wobei man es Ausleben als Laster
oder als Angenehm empfinden darf.

handelsübliche Pornos: Sind für mich Ideologisch auch noch in Ordnung, weil ich davon ausgehe, dass die Darsteller mit der Vermarktung von sich einverstanden sind. Vom Typen entsprechen die dem, der Sex weniger unter moralischen Aspekten betrachtet, und den Gedanken angenehm findet, damit auch noch Geld zu machen. Wenn aber ein Zwang zur Veräußerung des Körpers durch Geldnot entsteht, wird es Heikel. Dabei ist aber der Porno nicht zu Kritisieren, sondern das Umfeld welches dem Menschen eine Existenz mit geringen finanziellen Mitteln nicht ermöglicht.

Prostitution: Sicher gibt es Menschen, für die Geld oder der Akt an sich wichtiger ist als sexuelle Selbstbestimmung in der Partnerwahl. Prostitution heute findet aber nicht nur unter diesem Leitmotiv statt, und funktioniert auch nur, wenn es genügend Leute gibt die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen, weshalb kein pauschales Urteil getroffen werden kann. Prostitution möchte ich deshalb nicht unter allen Umständen ablehnen, auch wenn ich sie für mich nicht akzeptiere.

Zwangsprostitution: keine Frage, buhhh, Daumen nach unten.

Dass ich auch mal etwas Unanständiges tue (rein hypothetisch): Fände ich auch okay, da
ich mich nicht meinem Verstand Geiseln möchte, sondern auch aus dem Bauch heraus Entscheiden will. Ich vertrau dabei darauf, das meine Intuition weitestgehend mit meinen Vorstellungen über richtiges Verhalten d'accord ist.

Es bleibt noch zu sagen, dass, auch wenn ich auf sie nicht wirklich eingehe, ich alles gut finde was gesagt wurde.

mattes hat gesagt…

gestern hab ich wohl zeitgleich mit andre am rechner gesessen und mehrere stunden verzweifelt versucht, für mich und den blog noch einmal ordnung in die ganze thematik zu bringen. glücklicherweise entdeckte ich kurz vorm veröffentlichen noch andre`s neuerlichen kommentar, der zusammen mit georg`s und klemens`wohl nen recht akzeptablen schluß bildet.
ich fand erneut keinen faden zu diesem endlosthema und so belassen wir es dabei. es sind gute gedanken dabei.

und dir michau weiß ich nach deinem statement mirgegenüber nicht sachlich zu begegnen, obwohl ich viel zu viele gedanken daran verschwendete...
ich glaub, du hast da kräftig was falsch verstanden!
und zum thema dummheiten unabhängig davon, fällt mir ein schöner satz von nietzsche ein:

"Klugen Menschen erlaubt man ihre Thorheiten nicht: welche Einbußen an Menschenrechten!"

ende.