Vällkommen till Stockholm!
Mit Sigur Rós im Ohr, wunderbaren Bildern vor den Augen und Lebensträumen im Sinn, habe ich mich für diesen Februar auf nach Stockholm gemacht. Ich versuche während eines Praktikums im Karolinska Institutet das Alltagsleben der Hauptstadt Schwedens zu erkunden. Dabei stellt sich am Ende hoffentlich heraus, ob es lohnenswert ist, ein paar Jährchen in diesem nordischen und landschaftlich sehr faszinierenden Land zu verbringen. Da ich erfuhr, dass es einige Personen interessieren könnte, wie Stockholm tatsächlich "tickt", dachte ich, ein paar Eindrücke zu schildern, ohne dabei mit dem doch durchaus langen Einstiegsbericht schocken zu wollen.
Es war der 31. Januar 2009, als früh um 4:00 Uhr noch eine Tasse Tee bzw. Kaffee ihren Zweck erfüllte und ohne lange zu atmen, ging es auf nach Berlin. Die Erinnerungen an den einjährigen Englandaufenthalt waren stark. Man fühlt sich nach solch einer Zeit doch schon wie daheim in Schönefeld.
Der Flug war angenehm, zwischendurch einige Turbulenzen, sonst angenehm ruhig. Plötzlich ertönte es laut aus den Lautsprechern: "Become a millionaire with Ryanair. Take part in our game. MILLIONAIRE WITH RYANAIR" Ich konnte nur lachen, und bemerkte, dass sich auch der Stewardess sehr beherrschen musste. Süß! Einfach nur niedlich, wie sich Ryanair eben auch mit etwas Werbung etwas „Taschengeld“ dazu verdient. Vor allem wenn dann wirklich einige Frauen sofort zum Portemonnaie greifen und hoffnungsvoll und vorsichtig um sich blickend das entsprechende Feld auf der Karte freirubbeln... Tsts.
Hoch über den Wolken strahlte nun die Sonne, wie sie nur konnte. Es war traumhaft. Eine Zuckerwattenschicht, eine schneeweißes Bett, was mit den Strahlen der Sonne erwärmt wird. Fasziniert von dem doch eigentlich simplen Naturereignis setzten wir bald zum ruhigen Landeanflug an. Der Weg führte durch die Wolkendecke und man wurde unsanft durch die Realität geweckt. Unterhalb der weißen Pracht erschien alles in einem eintönigen Grau.
Weit und breit waren grau bezuckerte Felder, dazwischen schlecht und langweilig aufgeforstete Fichtenwälder. Es war enttäuschend, endlos, öde. Das ist also Schweden?! Ich glaubte es nicht und wollte dem doch so hoch gelobten Land bezüglich seiner Natur eine Chance geben. Zwischendrin entdeckte man hin und wieder kleine Gehöfte. Rote, niedrig gehaltene Häuser mit weißen dicken Fensterrahmen. Alles in einem sehr ordentlichen Zustand. Pferde sprangen auf den Weiden umher... Also doch!
Rums! Und nochmal rums! Aufgesetzt. Angekommen. Auf der grauen Landebahn inmitten eines grauen Feldes. An einem grauen Tag.
Der Bus für die Fahrt ins 100 km entfernte Stockholm wartete schon. Von der Innenseite konnte ich sehr gut den Busfahrer beobachten, wie er außen die letzten Gäste freundlich einwies. Und alles mit einem wirklich guten Englisch. Freundlich lächelte ich eine Chinesin an, die sich auch gleich neben mich setzte. Und so unterhielten wir uns nett und ich bekam ein Angebot, bei meinem nächsten Chinabesuch, sie doch einfach mal zu besuchen. Hmmm, ok, dann mal los zum nächsten Flughafen... ;)
Bald darauf ging es zur Autobahn. Man hat sofort den Eindruck, dass in Schweden alles einen Tick langsamer abläuft als in Deutschland. Na gut, ist unser Land eigentlich in Sachen Geschwindigkeit noch zu übertreffen?? Vielleicht liegt die Ruhe Schwedens auch an den Maximalgeschwindigkeiten von 90-110 km/h auf Autobahnen.
Diese übertrug sich auf mich, ich versuchte nun etwas, meinen versäumten Schlaf von letzter Nacht aufzuholen.
Ein Auge tat ich nach eine halben Stunde wieder auf: Plattenbauten. OK, wir sind scheinbar noch im Vorort. Oh nein, doch nicht: Dort ist der Zentralbahnhof. Hmmm, und was ist mit den Plattenbauten?
Die waren schnell vergessen, als ich aus dem Bus ausstieg und mitsamt meinem Gepäck in den Bahnhof lief und dort von seiner prächtigen Bauweise erschlagen war. Das waren doch sehr starke Gegensätze. Ein sauberer Ort, wo es an jeder Ecke funkelte und glitzerte, wie man es bis in die 80er mit dem „Goldenen Westen“ beschrieben hatte.
Ich genoss die Rolltreppen, da mein Gepäck mit 23 kg doch etwas auf meinen Schultern lastete...
Erst einmal sollte es zur Information gehen. Hah, und da waren sie: die Nummerautomaten, ohne denen die Schweden angeblich nicht mehr auskommen… Ich konnte nur noch breit grinsen. Im Reiseführer stand beschrieben, dass man sich doch unbedingt eine Nummer ziehen muss und ja nicht verpassen sollte, wann man dran ist. Sonst beginnt die ganze Prozedur von vorn. Hihi, und so musste ich tatsächlich zum Schalter rennen, ja rennen(!), als meine Nummer gezogen wurde.
Das Ticket in der Hand, die Hinweise des Inders, welcher mich gut und mit liebenswürdigem Humor beraten hatte, im Kopf, ging es auf zur Tunnelbanna. Es dauert nicht lange und ich fühlte mich wie in London. Oder doch wie in St. Petersburg? Der goldene Bahnhof ist weg und die einzelnen Bahnsteige sind schlicht und einfach rot gefliest und sauber. Es scheint, als ob die Schweden einfach alles in Ordnung halten und nicht ständig neues produzieren. Sie perfektionieren nicht wie wir Deutsche. Das fiel mir, eben als Deutsche, besonders beim Durchlaufen der Straßen in Bergshamra, meinem neuen Heimatort, auf. Keine Bierbüchsen liegen herum, keine Taschentücher oder Zigarettenschachteln. Nur sehr viel Streusand. Rechts sieht man eine Apotek, dahinter einen Blumenladen. Alles wirkt sehr dörflich, wobei man sich zwischen den hohen Häusern eingepfercht fühlt. Da drüben schiebt eine (im Gegensatz zu England) bereits ca. 30 jährige Frau einen Kinderwagen der 60er Jahre über die rot asphaltierte Straße.
(Zu dem Zusatz in Klammern möchte ich nur kurz anmerken, dass in England geschätzt die Hälfte der dort geborenen Kinder jugendliche Eltern haben.)
Nun stand ich in einer Plattenbausiedlung, die mich doch sehr an Russland erinnerte. Sagen wir: an eine gepflegte Version Russlands, ohne dies abwertend zu beurteilen, sondern einfach als Tatsache fest zu halten. Die Wohnungstüren sind auch hier zwei- bis dreifach verriegelt. Auch nachts. Trotz, dass es hier eine sichere Gegend sei...
Den Weg hierhin hatte ich also gut gefunden. Um nicht zu sagen: zu gut. Irgendwann muss doch eine Schwierigkeit auftreten, fragte ich mich. Und da war sie schon. Ich stand vor der Tür, wo ein Code einzugeben war, damit man in das Haus eintreten kann. ...Oje, ist es vielleicht Nr. 5, weil Frau Ehert in Wohnung Nr. 5 lebt? Oder 2, weil sie in der 2. Etage wohnt? Zum Glück kam schon bald ein Schwede heraus, der mir etwas erzählte, ich konnte jedoch nur mit einem "Tack" (Danke) antworten und nett lächeln. Schnell begab ich mich in die 2. Etage, voller Vorfreude, nun endlich nach 8 Stunden angekommen zu sein. Und was sehe ich an der Tür?
"Sara Ehert. Varning för Hunde" Huch, da schluckte ich erst einmal. Und blieb stehen. Ich bereitete mich gut auf die Situation vor. Gewiss hat sie einen Boxer, der mich jetzt anspringt. Wuaaahh! In der Zwischenzeit hat meine Hand die Initiative ergriffen und bereits geklingelt.
Und vor mir stand eine ca. 50jährige hoch gewachsene, schlanke Frau, die grinste und meinte, dass sie es so erwartet hatte: Deutsche kleiden sich immer wie Schildkröten. Im gewissen Sinne hatte sie Recht. (Es waren 0°C.) Die Wahrheit ist ja aber, dass ich alles, was nicht mehr in den exakt 15 kg schweren Wanderrucksack passte, anziehen musste. Nicht mit dem Ergebnis eine beleibte Frau, sondern scheinbar eine Schildkröte darzustellen...
Wo sind die Hunde?? Tjaaa, das war eine der ersten Fragen, die ich stellte. Ich bekam zur Antwort, dass ihr Sohn einen hätte, und das deshalb dran stünde. Außerdem flöße es Respekt ein. Das kann ich nur bestätigen… ;)
Es tauchte bald darauf noch ein Mädchen auf, die 28-Jährige Ukrainerin, welche in dieser Wohnung für ½ Jahr bleiben wird. Und mit ihr befand ich mich nach einem "tea" mit meiner wirklich netten und sehr englisch erscheinenden Vermieterin im Bus zur nächsten Kaufhalle. Die Wolken rissen nun endlich auf, und die Sonne, strahlte mich zum 2. Mal heute an. Sie blitzte durch die schwedischen Plattenbauten durch. Der Busfahrer wirkte auch diesmal sehr entspannt. Vielleicht geht das Leben hier nicht einen Tick langsamer, sondern einfach gelassener und angenehm unperfekt voran. Im Supermarkt holte ich mir dann die lang ersehnten Branflakes, die es scheinbar nicht nur England gibt!!! :) Dabei möchte ich unglücklich erwähnen, dass dieser Supermarket ein Lidl war und ich doch eigentlich sehr die Produkte des jeweiligen Landes bevorzuge, um nicht zuletzt die nationale Produktion zu unterstützen. Aber das kommt noch.
Daheim ließ ich mir dann, nachdem die Finanzen bezüglich der wirklich schmerzhaft hohen Miete in Stockholm nun auch geklärt waren, endlich meine erste richtige Mahlzeit am Tag schmecken - Spaghetti. Sehr Schwedisch! ;)
Meine Gastmutter aß Fish`n`Ships.
???
Sie vor 35 Jahren hierher gezogen und gebürtige Engländerin...
Aha!
Nun sitze ich hier vor meinem Computer und erfreue mich an dem Geschrieben, an meinen neuen Eindrücken, und bin immer noch seltsam angetan von der Stadt, deren Aussehen in meinen Träumen doch so anders (ja: schöner) erschien, wo aber der Lebensstil auf den ersten Blick meine Hoffnungen erfüllt...
Ich bin gespannt auf morgen!
Anmerkung der „Redaktion“: Personennamen geändert.
3 Kommentare:
Schöne Impressionen, gefällt mir außerordentlich. Wünsche dir einen guten Start in Stockholm.
ja, viel freude katja und danke für diesen ausführlichen bericht, mit dem blick auch auf die unscheinbaren
dinge des lebens.sehr schön.
Auch von mir noch viel Freude in dieser super Stadt und Willkommen im blog!
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