Shake your Style.

23.04.2009

Vom Opiumbrot bis zur Nadel

Ich möchte euch im Folgenden einfach mal eine Pflanze, deren Produkte und die Folgen für den Menschen darstellen um einen kurzen, aber vielleicht interessanten Überblick zu geben.


Opium - viele verbinden mit diesem Begriff Rauschmittel oder Mohn und vielleicht stutzt man manchmal auch über's Mohnbrötchen und wenn man zuviel isst...
Genau betrachtet beschreibt Opium nur den Milchsaft des Schlaf-Mohns (Papaver somniferum). Gewonnen wird er durch Anritzen der reifenden Mohnkapseln, die den Pflanzensaft abgeben, welcher an der Luft aushärtet und als brauner Milchsaftrückstand durch absammeln zu größeren Klumpen geformt wird, dem so genannten “Opiumbrot“. Rund 20% des Saftes sind Alkaloide mit den Hauptvertretern Morphin, Codein, Papaverin und Noscapin. Opiumbrot dient der Gewinnung der einzelnen Komponenten besonders für Arzneimittelzwecke, aber natürlich ist der Anteil an illegalem Anbau zur Rauschgiftgewinnung enorm und neben den offiziellen Anbauländern Indien, Türkei und die GUS unbestimmbar.
Industriell gewonnene Extrakte von den oben genannten Verbindungen dienen zur Synthese diverser Arzneimittel (z.B. Codein als Hustenstiller) oder sind selbst arzneilich oder missbräuchlich wirksam (z.B. Morphin als Schmerz- und Rauschmittel).

Die Mohnsamen unserer Frühstücksbrötchen dagegen zeigen eine anteilmäßig wesentlich geringere Menge an Alkaloiden und sind dafür zu über 50% reich an Fettem Öl. Für den unbedenklichen Genuss sorgt neben der Menge auch die Zubereitung, bei derer durch Hitze ein Großteil an Alkaloid-Wirksamkeit verloren geht.

Der richtige Morphinismus, welcher z.B. durch reines Morphin ausgelöst werden kann, ist daher vom Klatschmohnsamenkauen unbegründbar und beschränkt sich fast ausschließlich auf den direkt illegalen Handel mit selbst hergestellten und importierten Extrakten. Charakteristisch dabei ist die starke körperliche Abhängigkeit, welche den Gebrauch fataler macht als beispielsweise die Einnahme von LSD etc.
LSD als euphorisierenden, entspannenden und phantasiefördernden Wirkstoff, nehmen Konsumenten lediglich mit Symptomen psychischer Abhängigkeit ein. Dies verursacht eine Art Gewöhnung an das Mittel, ohne nach dem Absetzten noch Folgesymptome zu erzeugen. Der Betroffene muss „lediglich“ gegen seine Gewohnheit/Vorliebe ankämpfen und hat nicht, anders als bei Morphinismus, z.B. mit Entzugssymptomen zu kämpfen. Quasi als Gefangener des eigenen Körpers wird man hier ähnlich wie durch Hunger und andere Bedürfnisse getrieben.
Ich will damit lediglich verdeutlichen, dass einzelne Abhängigkeiten untereinander stark variieren und kaum ein einheitliches Ablaufschema existiert.

Im Fall des Morphinismus genauer wird der erste Kontakt als beruhigend und gemütsbefriedigend beschrieben, was den wiederholten Kontakt mit der Droge fördert. Die Dosis steigert sich allmählich, der Betroffene merkt schnell, er braucht immer mehr und relativ rasch kommt es zu einer Art Wahn die den Körper mehr und mehr fesselt und sein Gemüt komplett umkehren kann. Dabei ziehen sich die Betroffenen zurück und verfallen in Teilnahmslosigkeit und Selbstbeschäftigung mit dem weiten und unendlichen Ziel „neuen Stoff“ zu bekommen. Das Verlangen danach, das so genannte Craving, beherrscht den Menschen und lässt Dinge wie Gemeinschaftlichkeit und Intelligenz nahezu vollständig verdrängen. Damit werden diese Personen natürlich auch eine Gefahr für die Allgemeinheit immer auf der Suche nach mehr, ohne Hemmung...

Leider sind auch einige wichtige Arzneimittel wie unspezifische Schlafmittel oder der Reizhustenstiller Codein potentielle Suchtmittel, die vor allem bei Langzeitgebrauch zu gefährlichen Abhängigkeiten führen. Besonders depressive und neurologische Verstimmungen bis hin zu Suizidvorstellungen plagen Patienten und leiten deren Handlung.
Das berühmte Heroin ist dabei ein Abkömmling des Morphins und zeigt noch stärkere und vor allem schnellere Anflutung im Gehirn. Der hierbei eintretende frühe Kick lässt die Sucht viel stärker ausfallen und bewirkt ein größeres Suchtpotential, weshalb Heroin nicht umsonst als gefährlichste Droge gilt.

Ähnlich wie beim Alkohol ist der Entzug nur sehr schwer möglich und neben dem Willen ist ein Zwang nötig, um den Betroffenen durch die unangenehme Entzugssymptomatik zu helfen. Diese Etappe, in der viele Patienten am Rand des Wahns hin zum Selbstmord stehen, ist sehr oft nur durch intensive Betreuung, einige wenige Arzneimitteln und vor allem Zeit, zu überwinden.
Zur medikamentengestützten Behandlung zählen hier 2 relativ schwach wirksame Methoden. Zum einen will man durch Impulshemmung den Patienten ruhig stellen und zusätzlich die Stimmung durch Antidepressiva normalisieren...
…andererseits versucht man mit langwirksamen Morphinderivaten (Methadon) das Spritzintervall zu verlängern und verabreicht nach Absetzen viele weitere Präparate, um die Entzugserscheinungen zu unterdrücken. Beide Methoden zeigen nur sehr magere Erfolge und bilden hohe Nebenwirkungspotentiale (Herz- Rhythmus- Störungen, Schlafstörungen, eventuell zentralnervöse Störungen wie Demenzeffekte...), die zu Folgeerkrankungen und geistigen Schäden führen können.
Die schlechten Therapiemöglichkeiten und der Einfluss von körperlicher und geistiger Individualität, lassen somit annähernd verstehen, warum zahlreiche Stoffe das Leben auf ganz eigene Weise beeinflussen.

7 Kommentare:

Ändy hat gesagt…

angenehm zu lesen deine darstellung

mattes hat gesagt…

interessante beschreibung gilbert, vielen dank.

ein freund von mir ist den beschwerlichen weg hin zur droge und vor allen dingen davon wieder loszukommen gegangen. gespräche, in denen er mir den leidensweg geschildert hat, sind mir unglaublich wertvoll geworden.

clem hat gesagt…

Sehr schöner Text!

Weißt du auch was über Heroingestützte Therapieverfahren? Das ist ja in den letzten Jahren immer mal in den Medien aufgetaucht...

gilbert hat gesagt…

Über Heroin speziell ist mir weniger bekannt, aber typischerweise ist der therapeutische Einsatz von Drogen auf lebensbedrohliche Erkrankungen im Endstadium beschränkt. Hierzu zählt als typisches Beispiel die Gabe von THC (auch Dronabinol genannt), welches z.B. bei unheilbaren Tumoren oder AIDS zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt wird.

Andererseits will man beim Heroin die Abhängigkeit durch kontrollierte Substitution mit gleichwirkenden Medikamenten (Methadon...) vor allem ungefährlicher für den Patienten gestalten, denn speziell beim Heroin treten Todesfälle vor allem durch unsaubere und falsche Anwendung ein.
Schwerwiegende Infektionen (bakteriell z.B. Wundstarrkrampf oder viral AIDS...) erzeugen hierbei akute und chronische Zusatzleiden und beschleunigen die Sterblichkeit.

Großes Problem der Opioide (Morphin/Heroin/Codein...) ist dabei die enorme Nebenwirkungsrate, angefangen bei Verdauungs- und "Wasserlass"-Beschwerden über Atemdepression vor allem bei Asthmatikern hin zu Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und natürlich Abhängigkeit.
Da diese unerwünschten Effekte von Verteter zu Vertreter variieren und auch Methadon nicht optimal wirkt, ist es schwierig das perfekte Arzneimittel zu finden und man lässt sich die Option des Heroins als Behandlungsmittel offen.

ps: freut mich dass es euch interessiert und gefällt!

mattes hat gesagt…

Viel zu lange wurden Drogenabhänige nicht als hilfbedürftige Menschen mit einer Krankheit betrachtet, sondern als Kriminelle und auch dem entsprechend beanhdelt.
In der Schweiz gibt es seit einiger Zeit ein Programm, bei welchem den Betroffenen kontrolliert Heroin verabreicht wird. Ziel ist es nach und nach die Dosen zu verringern(obliegt der entscheidung des Abhängigen) und den Menschen Perspektiven/ Auswege zu bieten...
Interessant ist vor allem, dass der Erfolg für sich spricht(Heilungschance über 50 prozent).

christin hat gesagt…

Sehr schöner Text Gilbert.
Man sollte bei der Diskussion um den Einsatz von Opiaten in der Praxis berücksichtigen, dass Morphin und seine Derivate primär in der Schmerztherapie angewendet werden.
Hauptwirkmechanismus ist dabei die Stimulation zentraler Opioidrezeptoren, welche in drei Formen im Gehirn vorliegen (delta, kappa, mü). Die Effekte, welche durch die Besetzung der Rezeptoren mit Opioden ausgelöst werden, unterscheiden sich: delta-Rezeptoren vermitteln eine Schmerzlinderung, in dem sie die Schmerzverarbeitung im Gehirn verändern. Daraus resultiert z.B. eine höhere Schmerztoleranz.
kappa- Rezeptoren lösen hauptsächlich eine Sedierung und eine Hemmung des Atemantriebs aus.
mü-Rezeptoren vermitteln Euphorie. Über diesen Mechanismus entsteht Sucht.
Die Rezeptoren existieren im Gehirn, weil der Körper selbst Morphin und co. (sogenannte endogene Opioide) produziert. Es ist ein ganz natürlicher Prozess, ohne den z.B. die Schmerzen einer Geburt nicht auszuhalten wären. Mit der Menge der Opioide im Blut werden nach und nach die Rezeptortypen stimuliert (erst delta, dann kappa, dann mü). Ein sehr sinnvoller Mechanismus: So führen die Schmerzen z.B. der Geburt zur Freisetzung von Opioiden und verändern als erstes die Wahrnehmung des schmerzhaften Ereignisses. Werden mehr Opioide ausgeschüttet, dann kommt es über die beruhigende Wirkung letztlich zur Euphorie (z.B. die Euphorie nach den "Qualen der Geburt").
Dieser Mechanismus ist auch dafür verantwortlich, warum manche Menschen von Risikosportarten regelrecht süchtig werden (der Kick ist nichts anderes als die Stimmulation des mü-Rezeptors im Gehirn).
Werden Opioide exogen zugeführt, löst dies natürlich die gleichen Effekte aus. Es ist von den Umständen und von der Potenz (an bestimmte Rezeptoren zu binden) des Morphinderivats abhängig, welche Effekte überwiegen.
Ein Tumorschmerzpatient wird den euphorisierenden Effekt von Opiaten nicht erleben. Er braucht es quasi um seine Schmerzen zuverarbeiten, da die endogenen Opioide nicht mehr ausreichen.
Die Gefahr, dass Schmerzpatienten abhängig werden ist auch aufgrund der heutigen Applikationsformen minimierbar. Es gibt z.B. Pflaster aus denen der Wirkstoff in kleinen Dosen kontinuierlich freigesetzt wird. Ein schnelles Anfluten (+damit Besetung aller Rezeptorarten gleichzeitig) kann somit verhindert werden.
Chronischer Schmerz verändert auch die Rezeptorenverteilung im Gehirn (mehr delta als mü).
Ich denke, dass der vorsichtige und indikationsgerechte Einsatz von Opiaten in der Medizin einen absoluten Gewinn für die Patienten darstellt. Es ist wie immer: Das Maß entsteidet.
Ich gebe dir Recht, dass Schmerz- und Beruhigungsmittel (auch wenn es nicht immer Opioide sind) sehr oft recht unkritisch eingenommen werden. Ich denke, dass daraus auch eine Art soziale Komponente der vorallem psychischen Abhängigkeit resultiert.
Aber über Abhängikeit sollte man vielleicht gesondert nochmal diskutieren.
Danke für deinen Beitrag.

gilbert hat gesagt…

Hej Christin!
Ja, du hast recht mit deinen genauen Ausführungen und es ist sehr interessant zu lesen.
Die Bedeutung der Opioide und auch Opiate in der Medizin generell und speziell der Klinik, sind mir auch geläufig.
Um den Text nur nicht zu weit ins Detail bzw. in eine Richtung driften zu lassen, habe ich versucht es kompakter zu schreiben um den Allgemeinheitswert für den Blog zu bewahren.
Deshalb find ich es schön, dass du den Text um weiteres Fachwissen ergänzt und uns die Komplexität des Sachverhalts nicht vorenthältst.
Danke!