Shake your Style.

08.09.2007

Moderne Nazis

Und noch etwas Politisches, diesmal in Form einer Buchkritik.

Meine letzten Zugfahrten von und nach Chemnitz begleitete nämlich das Buch "Moderne Nazis- Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD" von Toralf Staud (2005 erschienen, also nach der Landtagswahl und dem Erdrutschgewinnen der NPD in Sachsen, aber noch vor den Erfolgen der DVU in Brandenburg und der NPD Schleswig-Holstein), ein eher mäßig recherchiertes und sehr populärwissenschaftlich geschriebenes, aber nichtsdestotrotz äußerst spannendes und so ich es einschätzen kann, wirklichkeitsnahes Buch, das einen äußerst authentischen, emotionalen und dennoch trockenen, weil ernüchternden Einblick in die Strukturen und Charakteristika des rechten Milieus rund um die NPD (und v.a. im Wandel der letzten Jahre) in Deutschland ermöglicht. An manchen Stellen wirkt der Autor etwas gehetzt, mein Hauptkritikpunkt neben (den der guten Lesbarkeit auch für eine große Öffentlichkeit geschuldeten) fehlenden Belege sind stilistische Unsauberkeiten und teilweise etwas zusammenhangslose Absätze, aber das ist natürlich sehr kleinlich.

Schließlich muss ich in vielem mit dem Inhalt übereinstimmen "Parteien wachsen aus der Gesellschaft, wenn sich dauerhaft eine demokratiefeindliche Partei etabliert, stimmt etwas mit der Gesellschaft nicht", "Wer behauptet, man müsse gleichermaßen gegen Extremisten von rechts wie von links kämpfen, vernebelt den Blick für die Realität", "Wahrscheinlich kann man außer in Diktaturen nur in Deutschland auf die Idee kommen, eine oppositionelle Partei zu verbieten, obwohl sie nicht offen zur Gewalt aufruft" und ein paar Brüller waren auch dabei "Die etablierten Politiker [...] sind Schönwetterdemokraten und schnappen nach Luft, wenn sie mal einen echten Nazi treffen".

Das Buch vermittelt schlussendlich eine sehr kritische und leicht furchteinflößende Sicht auf die NPD und die rechten Strukturen in deren Umfeld, scheut aber radikale Folgerungen (wie etwa ein Verbot) und ist damit realistisch nüchtern, auch wenn wie bspw. im vorletzten Kapitel anhand des Schicksals des bekannten Wurzener "Netzwerks für Politische Kultur" (NPK) bewusst nocheinmal auf die Zorn- und Tränendrüse gedrückt wird. Auf jeden Fall eigentlich für jeden gut lesbar, wer mehr möchte ist sowieso mit tiefer greifenden Seminaren und Landserkonzerten sowie aktiver Beteiligung bspw. am täglichen Kampft um die Kneipenvorherrschaft besser bedient, wem ein (noch) aktueller, kurzer und dennoch ernstzunehmender, also durchaus wissenschaftlicher Einblick genügt, dem sei das Buch wärmstens empfohlen.

7 Kommentare:

clem hat gesagt…

Sehr gut! Ich denke, die treffend gewählten Zitate verdeutlichen den Aspekt der Verdrängung, welcher hinter dem aufdringlichen Betroffenheitsgewinsel (Neue Szenen rechter Gewalt, wie weit ist es schon mit Deutschland gekommen?) der wirklich gefährliche ist. Weil er zeigt, dass auch die Etablierten die Demokratie nicht ernst genug nehmen, um sich ihrer an Mitteln gegen Demokratiefeinde zu bedienen. Stattdessen wird so rumgebockt, dass der ideologische Gegner aus der NPD-Perspektive genauso unsachlich wirkt.

Ändy hat gesagt…

Folgende Gegenüberstellung eines Zitates aus dem Buch:

"Wahrscheinlich kann man außer in Diktaturen nur in Deutschland auf die Idee kommen, eine oppositionelle Partei zu verbieten, obwohl sie nicht offen zur Gewalt aufruft",

und eines von Clem:

"Weil er zeigt, dass auch die Etablierten die Demokratie nicht ernst genug nehmen, um sich ihrer an Mitteln gegen Demokratiefeinde zu bedienen."

Wenn du mit den Mitteln das Parteiverbot meinst, kann ich dir nicht zustimmen, vielmehr vertrette ich ersteren Standpunkt. Fakt ist zunächst mal, dass die NPD juristisch nicht Verfassungswidrig gehandelt hat, und somit eine legitime Berechtigung besitzt in unserem System als Partei anerkannt zu werden. Wenn unser System demokratisch ist, ist es also zunächstmal auch die NPD als Partei. Würde man die NPD trotzdem verbieten, wäre man dann nicht auch ein "Demokratiefeind", oder zumindest einer der die Demokratie nicht vollständig anerkennt?

Das Problem liegt nicht bei der NPD als Partei, sondern beim Gedankengut welches die NPD vermittelt und bei ihren Wählern. Zwar geht sie bei ihren Wählern bewusst auf "Dummfang", was man ihr ankreiden könnte genauso wie allen anderen Partein, aber solange es Leute gibt die so dumm denken, wird es immerwieder die NPD, DVU, oder neue Partein geben. Worauf es ankommt, um es mal im Bild von Don Quijote zu sagen, ist ein Entzug des Bodens für die Windmühlen, auf was man sich primär konzentrieren sollte. Das Andere ist Aufgabe des Verfassungsschutzes.
Des Weiteren existiert mit der NPD ein gut zu kontrollierendes Organ, das überdies in der Auslebung ihrer Ideologie stark durch die Bindung an Gesetze eingeschränkt ist. Klar geht auch eine Gefahr durch die Unterstützung der rechtradikalen Szene aus, aber durch die Orientierung und Abhängigkeit dieser von der NPD hält sich das doch im überschaubaren Rahmen, was bei einer reinen Untergrundbewegung schwer der Fall wäre.

Nicht dass ich die NPD unterstütze, aber den Fokus sollte man doch auf das Gedankengut lenken.

georg hat gesagt…

"...aber den Fokus sollte man doch auf das Gedankengut lenken" - Nun da stimme ich dir wohl zu, allerdings bedenkst du gerade hierbei einen entscheidenden Fakt nicht: Die NPD ist sowohl ideologisch (Parteiprogramme) als auch praktisch (Skinheadszene) verfassungsfeindlich! Es führt damit zu dem Verwirrspiel, dass eine Partei den Parteienstaat auszunutzen versucht, um ihn abzuschaffen. Dies ist erklärtes Ziel dieser Partei. Zudem solltest du mit dem Wort demokratisch vorsichtig sein: die NPD besitzt ganz der Tradition rechter, konservativer Denker der 20er Jahre folgend ein ganz anderes Demokratieverständnis. Es zielt ab auf homogene, völkische Demokratie (im Gegensatz zu unserer pluralistisch, heterogenen Demokratie) mit der Grundvoraussetzung einer einheitlichen (deutschen) Gesellschaft -> Demokratie = der Wille des VOLKES...

Ein Parteiverbot wäre somit nicht demokratiefeindlich, denn es würde unsere Form von Demokratie zu schützen versuchen. Allerdings wäre es höchst unklug, nach dem gescheiterten Verbotsverfahren 2000, dem momentanen Höhenflug der NPD (und ihrer damit verbundenen steigenden Akzeptanz in der Bevölkerung einhergehend mit der zunehmenden Politikverdrossenheit und Skepsis unserer Form von Demokratie gegenüber) und dem von dir genannten Aspekt der besseren Kontrollierbarkeit einer erlaubten Partei, ein (erneutes) Verbotsverfahren einzuleiten, einmal ganz von der dann zu erwartenden Selbstinszenierung der Partei abgesehen.

Es wäre also freilich der Idealfall, die NPD inhaltlich (also ihr Gedankengut) zu bekämpfen. Inwieweit dies Erfolg haben wird ist fraglich, aber die bessere Variante.

clem hat gesagt…

Ändy:
"Würde man die NPD trotzdem verbieten, wäre man dann nicht auch ein "Demokratiefeind", oder zumindest einer der die Demokratie nicht vollständig anerkennt?"

Ich dachte, genau das habe ich mit dem Zitat, das du angeführt hast, auch selbst gesagt, aber jetzt wo du das als Gegenaussage drunterschreibst bin ich ziemlich verunsichert. Ich hoffe mal, du hast mich missverstanden, denn sonst heißt das, ich sage das Gegenteil von dem was ich meine.

Ändy hat gesagt…

Da haben wir beide wahrscheinlich eine verschiedene Logik die uns mit den gleichen Worten anderes erfassen lässt...na sowas

clem hat gesagt…

Du musst das eingeklammerte zwischen den Zeilen lesen:

Weil er zeigt, dass auch die Etablierten die Demokratie nicht ernst genug nehmen, um sich ihrer an Mitteln gegen Demokratiefeinde zu bedienen (anstatt sie verbieten zu wollen).

Ändy hat gesagt…

Achso, ich dachte bei Demokratiefeinden im Sinne unserer Verfassug wäre ein Parteiverbot das effektivste Mittel, und somit das von mir in diesen Bergriff "Mitteln" implizierte.