SB
Seit geraumer Zeit wasche ich meine Wäsche im Waschsalon. Meist gehe ich freitags am späten Nachmittag, oder samstags Vormittags vor elf, da kostet eine Maschine nur 1,90 statt 2,40. Es ist nie viel los. Die herrschende Gelassenheit zeugt von der Alltäglichkeit dieser Prozedur. Besonderheiten gibt es nicht, Unterschiede der anwesenden Personen sind maximal vom gelesenen Buch abzuleiten, doch selbst die sind marginal. Jeder könnte jeder sein. Ob man nun dasitzt, grübelt, den Blick auf die rotierende Trommel gerichtet, sich unterhält, Lebenserfahrung berichtet bekommt, einer Beschäftigung nachgeht, oder den wirbelnden Kleidungsstücken im Trockner zuschaut. Alle Personen könnten gegeneinander ausgetauscht werden, man würde keine Veränderung feststellen. Was einen sonst auszeichnet, wird vor der Tür gelassen. Hier dreht es sich nur um eines, die Aufrechterhaltung des Grundlegensten, das bei jedem gleich ausschaut. Der modernen Menschen wird unter anderem über sein Auftreten bestimmt. Ein Neandertaler grunzt, wir machen uns chic. Es ist doch stets das gleiche, nur die Ausdrucksform verändert sich, über Jahrtausende hinweg. In ähnlicher Blöße, wie man das blanke Entsetzten sieht, wenn es einen durchfährt, oder man es mit der nackten Angst zu tun hat, offenbart sich dieser Sachverhalt beim Einführen der Münze in den Automat. Es ist schon eigenartig das unsere Zeit solche Orte noch zulässt. Ungeschönt, ohne jeden Versuch der Leugnung, wo doch sonst alles so facettenreich ist.
6 Kommentare:
Es gibt viele dieser Orte und allen ist gleich das sie elementare Bedürftnisse befriedigen. Denken wir nur ans Krankenhaus oder die Kundschaft des Bäckers von neben an.
Interessante, gute Gedanken!
Die Frage stellt sich hierbei, ob sich trotz des Einwerfens des Geldes und dem Betätigen der Waschmaschine des gleichen Typs wie die des Nachbarn nicht doch die Individualität erhalten bleibt. Diese ist beispielsweise daran zu erkennen, ob der Nachbar in 10 Cent-Stücke bezahlt, weil er das Geld vom Kopieren der Skripte noch übrig hat und man selbst ein 2 €-Stück nimmt.
Dies gilt auch beim Einkaufen beim Bäcker: die einen lassen ihren Augen die Wahl, die nächsten suchen das ballaststoffreichste, die übernächsten das billigste Brötchen und wieder andere kaufen strikt nach Liste von Frau oder Mutti ein. Wie sieht es mit dem Waschprogramm aus? Bei einigen ist gewiss eine Vorwäsche nötig, da der Bauschutt ihre Kleider arg verschmutzt hat. Und der Mann im Anzug braucht ein Feinwaschprogramm für seine seidenen Hemden...
Meiner Meinung nach hast du Recht, dass sich die Grundbedürfnisse nicht unterscheiden, jedoch macht die Art und Weise ihrer Ausführung jede Person zu einem Individuum.
lieber andre,
entscheidende frage ist, was du draus machst.
im prinzip ist es ein wunderbarer ort um anzukommen. anzukommen im tag, die gedanken zu sortieren, zu reflektieren, oder schweifen zu lassen, ohne eine ablenkung, außer, wen es stört, das ständige rotieren der waschtrommel. wobei dies auch einen sehr meditativen effekt haben kann. meistens wartet etwas auf einen, doch hier muß man mal auf etwas warten, oder besser: man darf mal warten, ausatmen und so.der beste ort für spontane begegnungen und gespräche...ist doch fein. genauso beim bäcker, im wartezimmer, oder im krankenhaus. vielleicht kannst du dem erlebnis einen tieferen sinn geben, wenn du nächstes mal die wäsche einfach zu hause lässt und die reguläre waschzeit trotzdem absitzt quasi als selbstreinigung...manchmal, wenn ich nachmittags nach hause gehe, innehalte und die vögel zwitschern höre, bemerke ich, dass ich in diesem moment zum ersten mal an diesem tag gehört habe und wenn ich weiter am fluß entlang gehe, stehenbleibe und den bachforellen, bei ihren pfeilschnellen bewegungnen durch das eisklare zusehe, dann weiß ich, dass ich heut zum ersten mal gesehen habe. ich hoff, du verstehst, was ich meine. es sind weniger die vögel und forellen, sondern das stückchen freiraum,das stehenbleiben und innehalten, stillsein und ausatmen. ...jeder geschäftsmann sollte uns für die freiheit beneiden, ne stunde im waschsalon zu verbringen. andre,
ich vestehe den tristen unterton nicht!...und denke, dann liegt das problem nicht allein am waschsalon.
gruß vom mattes.
der aufenthalt im waschsalon ist in keinster weise mit einer ernüchternden gefühlsregung belastet, im gegenteil, ich freue mich über einen Ort wie diesen. So wie ich das sehe lässt sich der freie eigenständige mensch des heute trotz dieser attribute leichtfertig von einer doch recht krankhaften umwelt prägen. kann mir z.b. nicht vorstellen, dass alle sich aus freien stücken dazu entscheiden eine erfolgreiche karriere als genügendes maß seiner selbst anzustreben, mit dem fernseher seine freizeit zu gestalten, es sich von zeitschriften zu sagen lassen wie man zu leben hat, werte wie harmonie und wärme an zweite stelle zu rücken. dennoch wird's gemacht im einklang mit dem prinzip des geringsten widerstandes wohl, was ja keinem zu verübeln ist, leider aber nicht unbedingt zu einer gesunden umgebung führt in der grundlegende bedürfnisse eines empfindenden wesens befriedigt werden, somit im ansatz bereits eine latente depression enthält, wird man mit einer gesellschaft mit ihren funktionsweisen wie der unseren konfrontiert. leider sind es recht viele fremde einflüsse diesen beigeschmacks die widersprüchlicherweise mit zum gesamtwerk individuum beitragen. im waschsalon sehe ich dann, dass solch eine situation nicht als unveränderlich gilt, man sich von ungewolltem balast befreien kann, es einem noch möglich ist seine wünsche zur ausgestaltung seines Ichs zu verwirklichen. letztenendes ist man ja dann doch selbst schuld daran, dass man so ist wie man ist. auf magisch anmutende weise macht man sich im salon frei, legt dies fremde ohne dass man darüber nachdenkt selbstverständlich ab, und ist einfach mal so wie man ist, ohne zwänge. also ich genieße diese ehrlichkeit auch gegenüber sich selbst.
eine anmerkung zu mattes noch: wie du sicher weist leben die meisten von uns, wenn nicht sogar alle außer du, in städten. städte sind das gegenteil von weit und meist synthetisch, was zu einer sehnsucht nach den vorzügen der natur führen kann. redest du dann von bachforellen die sich im kalten gebirgsbachwasser räkeln erinnerst du an diesen mangel der bei dir aber nicht vorherrscht. es kotzt mich an, dass du in deinen kommentaren scheinbar ganz beiläufig aber stets vollkommen exibitionistisch uns das immer unter die nase reiben musst. fühlst du dich dadurch besser?
der zweite teil meines vorhergehendes kommentars ist absolut nicht ernst gemeint, sondern soll durch widerspruch zwischen realität und anlass der wortwahl zu einem kleinen zucken in den mundwinkeln führen. man kann einfach mal etwas sagen das nicht stimmt, es geht.
alle drei ersten kommentare finde ich richtig gut. alles was darin steht stimmt nicht nur in jedem punkt, sondern zeigt auch dass ihr euch gedanken darüber gemacht habt; was mich freut. das tut verdammt gut, und echt, danke eh!
nun könnte man meinen, weil ich auf sie nicht in meinem kommentar nicht eingegangen bin, finde ich sie nicht korrekt, doch das täuscht, denn außer einem "ja, richtig" hätte ich dem nichts hinzuzufügen, was ich aber sinnlos fände. also vollste anerkennung.
fetzig ist auch, dass man mit etwas glück im waschsalon super liegengelassene klamotten abstauben kann. das muss nichtmal unbedingt absichtlich passieren. und plötzlich steht man früh vorm kleiderschrank und denkt sich "hey, wo hab ich nur diese feschen schlüpper her?"
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