Shake your Style.

12.03.2010

Gedicht des Monats

Bei Dichters (1925)
von Erich Weinert (1890-1953)

Neulich war ich bei Dichters eingeladen
Da roch es nach Lorbeern und Gesprächen mit Gott.
Es gab lyrische Hammelkarbonaden
Und hinterher Aphorismenkompott.

Herr Dichter sprach über die letzte Schaffensepoche
und kaute gedankenvoll Petersilie.
Es kam mir vor wie ein Bild aus der Woche:
Der Dichter im Kreise seiner Familie!

Frau Dichter machte in Seelenergüssen
Und sprach, als Herr Dichter mal austreten ging,
Von der Tragik derer, die dichten müssen.
Worauf sie noch mal mit Kompott anfing.

Nach Tisch kamen noch zwei weitre Genies,
Beide mit katafalkischen Mienen,
Aus denen sich unschwer erkennen ließ:
Es lebte die gleiche Tragik in ihnen.

Herr Dichter schob uns in seine Zelle.
Da war er eben von seinem Drama genesen.
Wir lagerten uns pittoresk an der Quelle.
Herrn Dichter drang es was vorzulesen.

Und er las, bis seine Bronchien pfiffen,
Die lautesten Stellen aus jedem Akt.
Wir saßen finster und angegriffen,
Von seiner starken Dynamik zerhackt.

Dann klappte er zu, mit verhängten Pupillen.
Frau Dichter schmolz über seine Knie.
Im Dunkeln funkelten hörnerne Brillen,
Die räusperten was von Kosmosophie.

Hierauf traten die andern Herrn aus dem Schatten.
Manusskipte wurden heftig gezückt,
Die sie alle zufällig bei sich hatten.
Und jeder las nun den eigenen Konflikt.

Herr Dichter saß ganz von oben runter,
Das geschlossene Auge nach innen getunkt.
Doch die andern wurden gewaltig munter
Und deklamierten geballt, ohne Reim und ohne Punkt.

Das eine Genie kriegte tragische Inspiration,
Die eine Hand im Klavier, die andre am Schlipse,
Und melodramete lyrisch und kakophon.
Es war eine schauerliche Apokalypse.

Dann redeten sie mit verstauchten Manschetten:
Sie wären innerlich aus Kristall,
Und wie sie dauernd mit Gott zu ringen hätten
Und glühend dahinzuschweifen durchs All.

Ich bin leise weinend davongelaufen.
Mir hing schon die ganze Seele raus.
Denn so viel Tragik auf einem Haufen,
Das hält die beste Gesundheit nicht aus.

5 Kommentare:

Ändy hat gesagt…

wer ist hier die kommission die über das gedicht des monats entscheidet. ich fühle mich übergangen

michael matschie hat gesagt…

Es gibt keine Kommision. Die Auswahl wird durch mich getroffen. Das ist alles.
Falls du , Ändy, aber das Bedürftnis verspürst auch ein Gedicht des Monats zu posten, dann tu dies einfach. Ich erhebe keine Anspruch auf dieses Format. Jedem steht es frei zu posten was er will und wann er es will. Der Titel Gedicht des Monats inpliziet zwar dass es nur ein Gedicht pro Monat geben kann, aber wir sind doch freie Geister die sich beim mehr als zwölf Gedichten pro Jahr einfach einige Monate dazudenken können so dass die Rechnung wieder aufgeht. Ich wollte eigentlich nur einen schneidigen Titel für eine Art Blog-Special der in mehr oder weniger regelmässigem Abstand veröffentlich wird.
Adaptionen sind erwünscht!!!

Ändy hat gesagt…

also von dir ein aufruf zum inhaltslosgelösten gebrauch von sprache? na was sind des das für zustände?
keine adaption!

michael matschie hat gesagt…

Nein nein, Ändy, dies ist kein Aufruf. Es ist eine Einladung.
Aber kann es sein das dir etwas nicht passt?

Ändy hat gesagt…

nee, hät ich n problem würd ich's sicher nicht im blog austragen. ich hab wohl nur bissl zuviel zeit zwischen kaffeemaschine und schlafengehn