Hochschulpolitik
Ow ja, heute war es soweit. Die lang angekündigte Demonstration gegen das neue sächsische Hochschulgesetz nahm ihren lauf. Etwa 7000 Studenten aus ganz Sachsen und Sozialisierende anderer Bundesländer nahmen Teil, wobei alles friedlich ablief. Aber ich bin enttäuscht. Nein, nicht wegen der fehlenden Ausschreitungen, sondern wegen dem fehlenden Engagement. Wochenlang wurde massivst auf dieses Datum aufmerksam gemacht, die Inhalte in diversen Hochschulzeitungen propagiert, Emails an alles Studenten versand (TUD), kostenlose Züge aus anderen Städten bereitgestellt, viele Leute gefragt ob sie hingehen, und nur 7000 (Sachsen: über 100.000 Studenten, TUD: 35.000), darunter nur ein Bruchteil der Menschen mit dennen ich es täglich zu tun habe.
Aber was soll man sich anhören: „Ja worum geht’s da eigentlich, ich wäre froh wenn die mir das mal sagen würden?“ Ein Armutszeugnis an den Intellekt. Ungeachtet der Aufklärung durch die den Campus überschwemenden beliebten Hochschulzeitungen, die fast jeder in der Hand hält, wagt man derartige Aussagen. Die Artikel darin waren doch nicht zu übersehen, aber statt stillschweigen, der Ignoranz und Desinteresse an dem Thema bewusst, frönt man noch der Dummheit, indem man indirekt zugibt nur die Grüße mit Anzeigen gelesen zu haben, derart „Hallo wollüstiges Weib, Hast du Lust dich mit mir zu treffen, zum Sex?“ oder „Suche nette Sie die mir dabei hilft, ein paar Szenen aus meinen Lieblingspornos nachzustellen.“ (nicht nur Mädchen lesen das.)
Aber es geht noch weiter mit „Ist mir doch egal, bin eh bald fertig, also betrifft's mich nicht mehr“ oder „Naja, so schlecht ist das ja garnicht, nur das mit dem Hochschulsport find ich scheiße.“ oder „In Ordnung finde ich das ja eigentlich auch nicht, aber demonstrieren?“ Und das in der Mensa beim Mittagessen. Da kommt mir glatt das Kotzen. Leider sind Begriffe wie Verantwortung, Solidarität, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit im studentischen Wortschatz nicht vorhanden, oder werden nur noch mit utopischen Idealzuständen assoziiert. Das dies Güter sind für die es bei Gefahr zu kämpfen gilt, ist den meisten dann gleich gar nicht mehr klar. Wenn das das Gedankengut der zukünftigen gebildeten Schicht darstellt, dann seh ich schwarz und frage mich ob es nicht schon zu spät ist für diese Ideale einzustehen. Wenn sich die Allgemeinheit schon an den Verlust dieser gewöhnt stellt dies ja keine Einschränkung oder Bedrohung mehr da, und alle können fröhlich leben. Wozu denn dann noch demonstrieren, für etwas womit man eh nichts mehr anzufangen weis? Das zeigt auc das mangelnde Interesse der Medien, noch nicht einmal MDR Aktuell hielt es für wichtig genug um darüber zu berichten, geschweige denn Spiegel-Online.
Sinnlos also, und ich ärgere mich über mich selber mir so viele Gedanken über diese Themen gemacht zu haben, was sich zudem negativ auf meinen Gemütszustand ausgewirkt hat. Auch erkenne ich das vieles bei vielen nur heiße Luft darstellt, und wärmer gekocht als gegessen wird. Ich werde mich also umstellen müssen, und mir mit meinen falschen Idealen einen Raum schaffen, wo sie zumindest in Bezug auf mich eingehalten werden, ohne Rücksicht auf andere. Also wie alle.
Damit bleibt mir nur die nüchterne Erkenntnis heute nicht die Welt zum Positiven verändert zu haben (nach meiner Definition), sondern mich selbst zum Negativen hin. Werde wohl lernen müssen mit mir auszukommen.
8 Kommentare:
Du sprichst viel Wahres. Mich überrascht nur deine Entrüstung, die mich aber auch beeindruckt. Ich persönlich habe mich mit viel zu vielen Dingen, speziell mit diesem, leider schon längst abgefunden. Auf eine zutiefst emotionslos resignative Art. Daher bewahr dir deine ehrlichen Gefühle und vergesse nicht, wofür es sich lohnt zu leben. Schließlich weißt du viel zu gut, wer du bist. Und sei dir stets der Teilnahme deiner Freunde versichert. Verbitterung schafft nur eine andere Art von Fundamentalismus.
Um gleich mal etwas klar zu stellen, ich bin gegen die Gesetzvorlage und ich war nicht demonstrieren. Es gibt gleich mehrere Gründe für meine Entscheidung.
1. Die Art und Weise wie an der TU Chemnitz auf diese Demonstration aufmerksam gemacht wurde was der art dellethantisch, dass ich es nicht einsehe warum ich mich daran beteiligen sollte. Man hat das ganze Unigelände mit Plakaten zugepflastert auf denen „sie verlassen den demokratischen Sektor“ stand und ein Stacheldrahtfoto zu sehen war. Farblich hat man sich für eine von eitergelb über braun bis schwarze Komposition entschieden. Inhaltlich hat man auch nur erfahren dass sich die Fachschaft gegen das Gesetz ist.
2. Ein Protestmarsch also. Na toll, wieso heißt demonstrieren in Deutschland immer von A nach B laufen? Ein Konzept wie, wir belagern den Landtag 8 Stunden (oder lass es 4 Stunden sein) hätte mich persönlich sicher mehr angesprochen. Da ließe sich sicherlich noch eine Live-Band finden, man verteilt Trillerpfeifen, man organisiert noch ein paar Bierwagen und einen Bratwurststand und alle gehen glücklich nachhause. Eine Demonstration sollte dazu dienen Emotionen zu entladen und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Stattdessen wird eine Citytour durch Dresden organisiert.
3. Ein Haufen unzufriedener Studenten bewegt sicherlich keinen Politiker dazu seine Meinung zu ändern. Man hätte das ganze auf breiter Front aufbauen sollen. Ein paar Professoren, eine Brise Gewerkschaft und einige Oppositionspolitiker sind sicher das erfolgreichere Rezept für mediales Echo. Wenn eine Demonstration erfolgreich sein soll muss man auch Medienvertreter einladen und denen mehr bieten als nur „wir sich gegen…“
4. Es fehlt die öffentliche Diskussion. Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass die meisten Organisatoren selber gar nicht wissen warum ein neues Hochschulgesetz verabschiedet wird. Viele, das weis ich aus Gesprächen (die ich schnell wieder abgebrochen habe), sehen die Notwendigkeit von Veränderungen nicht (ein), aber sie schreien auf wenn es heißt „es wird sich was verändern in Chemnitz/Sachsen/Deutschland“.
In der Summe führte dies dazu dass ich die Veranstaltung mit meiner Abwesenheit honoriere.
Eine Floskel die von beiden Seiten genutzt wird, gibt die Sachlage wie ich sie sehe (was nicht heißen soll dass ich ihr zustimme) gut wieder: Also, so geht es nicht mehr weiter!!!
Schönen Abend noch
Dem Georg hab ich den Grund für meine Schockiertheit zwar schon geschildert, aber ich möcht's euch allen nicht vorenthalten. Ich finde dass es vor allem für die Dresdenr Studenten nie leichter war zu einer Demo zu gehn als bei dieser. Quasi vor der Haustür, und die Inhalte für alle verständlich oft durchgekaut und publik gemacht. Des Weiteren war es nie leichter ne Vorlesung zu schwänzen und dabei noch ein gutes Gewissen zu haben. Überdies versteh ich es nicht wie man einer derartigen Thematik, bei welcher es um weit über die Uni hinaus reichende fundamentale Prinzipen der Gestaltung von Lehre, Forschung und im allgemeinen um Bildung geht, und somit um die zukünftige Strukturierung des Bildungsprozesses der Gesellschaft, in welcher wir angewiesen zu leben sind, soviel Ignoranz entgegenbringen kann.
An Michaw zunächst Respekt dass du dich der Diskussion stellst und frei und offen deine Argumente darlegst, auch wenn jetzt kein gutes Haar an dir bleiben wird.
Vom Grundtenor hören sich deine Argumente für mich wie ne zurechtgelegte Ausrede an, welche dazu dienen dein Gewissen zu beruhigen (Selbstbetrug durch Vernunft). Ich finde das Aufgezählte wirklich sehr kleinlich, und sehe es keinesfalls ein in Anbetracht dieser Punkte die Vernachlässigung des hohen Ziels zu rechtfertigen.
1. Ein Plakat sollte in seiner Wirkung plakativ daherkommen, und nicht aufklärerisch. Deine Reaktion zeigt, dass es das sehr wohl getan hat. Zur inhaltlichen Diskussion dienen andere Medien.
2. Das Gemeinschaftsgefühl war trotzdem vorhanden aufgrund der zahlreichen Sympathisanten welche es vor allem auf das Inhaltliche abgesehen haben, zumal ich Georg aus Leipzig getroffen hab. Ist doch ein gutes Gefühl zu erfahren, dass man mit seiner Ideologie nicht alleine dasteht. Aufgrund des geringen medialen Interesses finde ich es auch gut, dass es ein Marsch war, da man dadurch die ganze Stadt auf das Thema aufmerksam gemacht hat. Ungeachtet dessen halte ich dies nicht für ausschlaggebend. Da ich selber nie die organisatorische Muse aufgebracht hätte, nehme ich dieses Angebot bereitwillig an. Sicher hätten sich dann auch viele Studenten nicht zum Landtag gefunden, und dies als Argument zur Verteidigung angeführt.
3. Mit zum Marsch aufgerufen hat auch die Gewerkschaft Verdi. Dass bei der Mobilisierung der Medien etwas schief gelaufen ist, sehe ich auch so. Dennoch stellt die übliche Vorgehensweise für einen friedlichen Protest eine Demonstration dar. Wo kommt man denn dahin, wenn man bei jeder Unmutsbekundung zu Superlativen greifen muss um gehört zu werden.
4. Das versteh ich nicht... Die Forderung war doch die, bei der Ausarbeitung des Gesetzes alle Interessengruppen mit einzubinden, und es so zu gestalten, dass es mit allen Positionen möglichst gut vereinbar ist, was derzeit nicht der Fall ist. Bei der Entscheidung über die Teilnahme kommt es doch darauf an, und nicht ob man sich mit allen Teilnehmern anfreunden kann.
Demzufolge kann ich deine dargelegte Position nur mit Missbilligung vergelten, aber trotzdem gut dass du dich der Diskussion stellst.
Du hast du den Michau ganz gut widerlegt André, aber auch ich stehe/stand der Demonstration äußerst skeptisch gegenüber. Das hängt vor allem mit dem von Michau dargestellten Punkt 4.) zusammen. Denn besonders an der TU Chemnitz gab es eine Vielzahl von Jusos und PhilFak, bzw. vom Rektorat, bzw. von einigen Professoren organisierten Veranstaltungen zum Bologna Prozess im Allgemeinen und zum neuen sächsischen Hochschulgesetz im Speziellen. Diese Veranstaltungen waren nahezu ausnahmslos unterirdisch besucht und noch schlimmer, im Fall der Vorlesung "Hochschule und Politik" im letzten Semester ging ein Großteil des studentischen Tenors keinesfalls in die Richtung "Das Neue macht's noch schlimmer". Im Gegenteil, die Möglichkeiten wirtschaftsnäher ausgebildet (Uni!...) zu werden, ließ bei vielen der Studenten pure Zustimmung erkennen. Gemault wurde meist nur dann, wenn die den Umbruch notwendigen Einschränkungen (vielfach die Kollision Magister-Bachelor betreffend) einen selbst betrafen.
Daher komme ich zu dem Schluss, dass weder Interesse, noch Gestaltungswille, noch ein genügendes Maß an Ablehnung in der Studentenschaft vorhanden sind, weshalb die Demonstration zwar nett, aber leider kaum wirkungsvoll war. Ganz davon abgesehen: Das Gesetz ist meines Wissens in den meisten notwendigen Gremien schon durch, die endgültige Abstimmung im Landtag ist in den meisten Fällen nur noch Repräsentativ.
Recht hast du Georg, und du bringst auf jedenfall auch die ehrlicheren/akzeptableren Begründungen "weder Interesse, noch Gestaltungswille, noch ein genügendes Maß an Ablehnung". Was mir aber bei vielen nicht zusagt ist die Einstellung "Ja im Prinzip bin ich dagegen, aber gleich demonstrieren!" Das steht für mich nach meiner Überzeugung im Widerspruch.
Den Zustand der Akzeptanz der 'Novelle', find ich nur traurig, und wenn die Mehrheit eben diese Einstellung hat, dann werd ich mich aufs Wohl oder Übel dem beugen müssen. Schade.
andre, du kannst doch nicht davon ausgehen das Ablehnung alleine schon Grund für Demonstrationen sind. Ich halte die kritische Auseinandersetzung für einen notwendigen Prozess der vorher stattfinden muss. In laufe dieses Prozesses kommt man zwangsläufig zu der Frage welche Rolle Bildung in unser Gesellschaft spielt und welche Rolle sie spielen sollte. Eine schwierige Frage die ich jetzt nicht erläutern will, es sei nur soviel gesagt dass ein Ideal wie "Bildung als Selbstzweck" mit diesem Gesetzentwurf nicht mehr tragbar ist. Das ist meiner Meinung auch grundsetzlich richtig. Ich würde sogar so weit gehen und sagen dass ein solches Ideal rückschrittlich ist und zu Repression führt. Nur in wie weit man dafür die Autonomie der Hochschule opfert ist eine andere Frage.
Hätte ich an dieser Demonstration teilgenommen, wüsste ich dass ich mich danach nicht besser gefühlt hätte. ganz im Gegenteil, ich hätte einen Kopf voller schwerverdaulicher Fragen die mir immerwieder aufstossen würden. nein, was mich nicht zufrieden macht meide ich.
Schwieriges Thema. Ich denke, grundlegend ist das Ziel einer Demonstration nie die eigene Zufriedenheit, sondern einen Standpunkt nach aussenhin zu vertreten und dafür mit den Mitteln der Vernunft zu kämpfen. Und wenn andere Menschen selbigen vertreten, warum soll man sich nicht zusammenschließen. So das Ideal. Dass nun aber Demonstrationen oft unter chronischem Kreativitätsmangel leiden, ist nicht von der Hand zu weisen, aber noch das kleinste Übel. Das Ziel einer Demonstration ist ja nicht nur sich öffentlich einer sachlichen Diskussion zu stellen, sondern auch zu zeigen, dass man sich "nicht alles gefallen lässt".
Gesetzeskonformen Demontsrationen fehlt oft einfach das Druckmittel.
Da ich ja nur Azubi bin und mich die Hochschuldiskussion einen Dreck interessiert -sie betrifft mich ja nicht,hö-, will ich das Beispiel Heiligendamm aufführen. Mein Beweggrund da nicht hinzufahren, war schlicht und einfach der, dass ich keinen Bock hatte und einen Widerspruch darin sah mit haufenweise Spacken, gegen die ich liebend gern demonstrieren würde, zu demonstrieren. Da trefen wir auf das grundlegende Problem. Meiner Meinung nach sollte es bei einer Demonstration viel weniger gegen etwas demonstriert werden, als für etwas. das ist wesentlich präziser. Denn wenn einer gegen Studiengebüren wettert, nur um Geld zu sparen, also sein Schäfchen ins trockene zu ziehen, find ich keine Gemeinsamkeit zu mir. Außerdem erfüllt man mit handelsüblichen Demonstrationen oft nur ein Pensum an Demonstrationsbedarf. Das erfreut doch jeden Politiker, hm? Denn was wäre die Demokratie ohne die "geregelte" Demonstration.
Demonsrationen sollten daher durchaus stören und gefärlich sein, aber immer der Vernunft folgen.
Wen's noch interessiert: http://www.smwk.de/smwk/download/entwurf-neues_saechsHG.pdf
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