Medialer Sonderfall
Für alle, die kein Fernsehen besitzen, hier die gestrige Undankesrede von Marcel Reich-Ranicki beim deutschen Fernsehpreis 2008 im ZDF.
Shake your Style.
von clem
Für alle, die kein Fernsehen besitzen, hier die gestrige Undankesrede von Marcel Reich-Ranicki beim deutschen Fernsehpreis 2008 im ZDF.
3 Kommentare:
Dieser Marcel Reich-Ranicki, ja er kann einem schon fast leid tun. Ein Idealist und alter Romantiker, der mit der Zeit irgendwie vergessen hat mit der Zeit zu gehn. Ich meine, wer stellt schon noch den Anspruch im Fernsehen gebildet zu werden oder kultureller Höhepunkte teilhaftig zu werden. Schau ich in die Flimmerkiste, dann nur der Unterhaltung wegen, und da kommt mir Schwachsinn, wie die Pannen-Show, gerade recht. Dass fast nur dieser läuft, sollte mittlerweile auch schon jeder begriffen haben. Ich kann mir nämlich nicht mehr als 5% Leute vorstellen, die den Satz „Da kommt doch bloß Mist!“ noch nicht über ihre Lippen gebracht haben. Wer außerdem Fernsehen mit Realität verwechselt, dem ist auch mit besserer Television nicht entgegenzukommen.
Da zumal bei TV-Anstalten das Diktat der Quote herrscht, liegt das Problem nicht bei den Intendanten, sondern vielmehr bei den Konsumenten. Gezeigt wird was gesehen werden will, basta.
Der Bildungsinteressent wird sicher auch schon erkannt haben, dass es weitaus bessere Wege gibt seine Bedürfnisse zu befriedigen. Klar beinhaltet die Idee des Fernsehens Potential für weitaus mehr, doch wer dies zu verwirklichen verlangt, kann mit gleichen Erfolgsaussichten bei millionenschweren Vorständen mit dem Klingelbeutel in der Hand an die Bürotür klopfen.
Insofern ist das Gezeigte Zeugnis geistiger Armut und spiegelt die Zweitrangigkeit moralischer Werte im Alltag wieder. Ob der Wandel der Bildschirmröhre zum Flachbildschirm etwas damit zu tun hat, sei an dieser Stelle offen gelassen.
http://www.tagesschau.de/inland/reichranicki110.html
André, ich muss dir Recht geben und widersprechen. Zunächst, der Satz "kommt doch bloß Mist" hat primär nichts mit 'ner Qualitätseinschätzung zu tun, sondern setzt sich auch aus Faktoren wie zuviel Werbung etc zusammen. Außerdem sind für so Manchen Arte&Co der Inbegriff von "Mist". Ich zweifle außerdem deine 5% sehr an. Ich will Statistiken arrr.
Da nun mal viele Menschen verdammt viel Zeit vor der Glotze verbringen (auch hier die Bitte um fundierte Statistiken, so jemand hat, ich glaube es waren im Durchschnitt in Deutschland vier (4!) Stunden pro Tag), ist ein gewisser Bildungseffekt schon aus quantitativen Gründen nicht von der Hand zu weisen. Fernsehen prägt, ob man will oder nicht, und das Gesehene beeinflusst sehr wohl unser Denken (wäre auch sehr verwunderlich, wenn nicht). Somit möcht ich den Einfluss von Flimmerkiste, Radio, Bild und Internet (jawohl, auch Internet) als absolut vorhanden einschätzen und widerspreche vor allem deiner These, dass selbige nur Produkt des geistigen Zustandes unserer Gesellschaft seien. Programme werden nach wie vor von Intendanten gemacht. Ich geb dir Recht, die Gesetzte des Marktes und damit der ernüchternden, geistig vollkommen anspruchslosen Nachfrage sprechen eine deutliche Sprache. Doch diese Nachfrage wird eben auch vom vorhandenen Angebot gelenkt. Und Angebot meint nicht ausschließlich, was es so alles gibt, sondern wie sich einzelne Bereiche positionieren und im gesellschaftlichen Kontext als attraktiv gelten. Damit niemand sagen kann: Wir haben Arte und trotzdem guckts keiner.
Abschließend stimm ich dir zu, mir kommt der gute Marcel auch vor, wie ein Relikt aus alten Zeiten, an dem so manche Entwicklung vorbeigegangen ist. Trotzdem war's 'ne nette Geste, Silvester wird der Jahresrückblick daran erinnern und danach haben's die Leute vergessen.
Tja Georg, ich habs nicht vergessen und es ist schon total 2009.
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