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04.01.2009

Fraktale #2: Fraktale durch IFSs



In diesem Text möchte ich zeigen, wie man Fraktale erzeugen kann. Der grundlegende Mechanismus (IFS) soll anschaulich erklärt werden. Um seine Mächtigkeit zu demonstrieren, werde ich damit abschließend 500 Fraktale generieren und diese zur Schau stellen. Die Theorie ist ohne mathematisches Vorwissen nachvollziehbar.

Die Kopiermaschine und das Paradebeispiel

Stellen wir uns einmal einen Kopierer vor, der folgendes leistet: Das Bild auf einem (quadratischen) Blatt wird dreimal um 50% verkleinert ausgedruckt wie in dieser Abbildung:



Nun ein kleines Gedankenexperiment: Wir schieben ein komplett eingefärbtes Blatt Papier in den Kopierer und fertigen eine Kopie an. Diese schieben wir nun wieder in den Kopierer und fertigen eine Kopie an usw. (Prinzip des feedback process). Das folgende Bild zeigt die ersten 7 Kopien des Quadrats:



Es entsteht also ein immer detailreicheres SIERPINSKI-Dreieck(!) Tatsächlich entsteht es mit seinen unendlich tiefen selbstähnlichen Strukturen erst nach unendlich vielen Kopierschritten (,es ist quasi der Grenzwert des Kopierprozesses), betrachtet man aber Bilder mit endlicher Auflösung, wie auf diesem Bildschirm, dann ist bereits nach 7 Kopierschritten ein Bild erreicht, dass nach jedem weiteren Kopierschritt unverändert bleibt.

Das allgemeine Prinzip

Wir konnten die vielfältige Struktur eines Fraktals durch eine einfache Kopiermaschine eindeutig charakterisieren:



Eine solche Kopiermaschine nennt man in der mathematik IFS (iterated function sequence). Ein seltenerer aber anschaulich etwas treffenderer Begriff ist MRCM (multiple reduction copy machine). Am letzten Bild sieht man auch, wie bereits das IFS die Struktur der Selbstähnlichkeit vorgibt.

Was wäre, wenn wir ein anderes IFS konstruierten? Z. B. das folgende



Es unterscheidet sich vom ersten Beispiel nur darin, dass die zwei unten plazierten Kopien 90° bzw. 180° gedreht wurden. Diese geringe Abänderung lässt den Prozess schon komplett verändert aussehen:



Die resultierende Struktur ist auch fraktal & selbstähnlich. Obwohl das IFS sehr simpel ist, scheint die Struktur im Gegensatz zur vorigen einen eher organischen Charakter zu besitzen.

Erzeugt jedes IFS ein Bild?

Die Theorie der IFSs wurde in den 80er Jahren von den Mathematikern Hutchinson, Barnsley und Demko gründlich erschlossen. Man weiß seitdem, dass jedes IFS eine Grafik erzeugt. Dabei muss man den Begriff IFS nicht so eng fassen, wie es hier getan wurde. Man kann sich vorstellen, dass anstelle von 3 eine beliebige Anzahl von Kopien auf das Blatt gesetzt werden. Jede davon kann zusätzlich beliebig gedreht, gespiegelt und auf gewisse Art verzerrt und verschoben werden.

Auf der Suche nach mehr Fraktalen

Ich möchte jetzt noch zeigen, wie das Gesagte genutzt werden kann, um eine Vielzahl neuer Fraktale zu gewinnen. Dafür konstruiere ich systematisch IFSs, die aus 3 Quadraten aufgebaut sind, angeordnet wie in den vorigen Beispielen (oben links, unten links, unten rechts). Jedes der 3 Quadrate varriere ich systematisch über folgende 8 Orientierungen:



Das macht insgesamt 8 x 8 x 8 = 512 mögliche IFSs. Ein Programm, das diese Arbeit in ein paar Minuten erledigt ist schnell geschrieben. Die ersten 500 Bilder sind hier in einer guten Auflösung zu sehen:

500 Fraktale


Betrachtet man die Ergebnisse und bedenkt, wie simpel sie konstruiert wurden, darf man durchaus staunen. Besonders bemerkenswert finde ich, dass viele Formen natürlichen Erscheinungen ähneln (Blitze, Vögelschwärme, Schneeflocken, Blätter), obwohl der geometrische Charakter des IFS sehr starr und eckig ist.

6 Kommentare:

georg hat gesagt…

auch wenn manche posts für sich selber stehen: danke, super gut nachvollziehbar.

christin hat gesagt…

die entstandenen fraktale sind echt schön. sie erinnern mich an schneekristalle...

georg hat gesagt…

Gibt's da eigentlich Anwendungsbereiche außerhalb der Mathematik und der Kunst?

clem hat gesagt…

Nicht wirklich.

Eine Zeit lang (um 1990) schien es erfolgversprechend für die Bildkompression, aber JPEG blieb immer ungeschlagener Standard.

Die Idee war damals, den Fakt auszunutzen, dass das IFS die gesamte Bildinformation enthält. Die Fragestellung musste umgekehrt werden: Finde zu einem gegebenen Bild ein IFS.

michael matschie hat gesagt…

clem, berichtige mich wenn ich was falches sage, aber ist es nicht so dass man mit Fraktalen das wachstum von Kristallen beschreiben kann. auch die Wolkenbildung ist doch besser berechenbar durch das "magische" entstehen von Fraktalen.

clem hat gesagt…

Ich hatte Georgs Frage jetzt nur bzgl. IFS-Theorie verstanden. Mit der fraktalen Geometrie im ganzen lässt sich natürlich allerhand anstellen, aber alles denkbare fängt wie Michaus Beispiele immer mit "Beschreibung von ..." an. Wenn mit "Anwendung" aber etwas mit praktischem Nutzen gemeint ist, da fällt mir nichts ein.

Um die Frage aber etwas aufzubrechen, obwohl anwendungsarm reicht die fraktale Geometrie nicht nur in Mathematik und "Kunst", sondern auch in die Kultur. Schließlich bereichert sie die Geometrie ungemein, um natürliche Formen. Geometrie wiederum stellt unser abstraktes Verständnis von Form und Maß dar.

Spöttisch formulierte Freeman Dyson:

The 19th century mathematicians may have been lacking in imagination, but nature was not. The same pathological structures that the mathematicians invented to break loose from 19th-century naturalism turn out to be inherent in familar objects all around us in nature.